Vor wenigen Tagen wurde eine umfangreiche Reform des belgischen Asylrechts im Staatsblatt veröffentlicht. Sie tritt am 22. März 2018 in Kraft [1]. Vor allem die Prozeduren, um internationalen Schutz (Asyl oder subsidiäres Schutzstatut) in Belgien zu erhalten wurden angepasst. Die wichtigsten Neuerungen werden nachstehend zusammengefasst:
Der Verfassungsgerichtshof urteilte bezüglich Wochenend- und Feiertagsfahrverboten
Verstöße einer gewissen Schwere gegen die Straßenverkehrsordnung können (manchmal müssen) dazu führen, dass der zuständige Richter ein Fahrverbot ausspricht. Das Gesetz sieht vor, dass der Beschuldigte beantragen kann, dass das Fahrverbot an Feier – und Wochenendtagen vollstreckt wird (Achtung! Im Fall von verschiedenen schweren Verkehrsdelikten schließt der Gesetzgeber diese Möglichkeit aus). Der Gesetzgeber hat diese Regel erlassen, damit, in einem gewissen Maß, die Ausführung des Berufs und die Strafe vereinbar bleiben. Vor dem Verfassungsgericht klagte nun jemand, der regelmäßig an Feier – und Wochenendtagen arbeiten musste, welcher jedoch in der Woche frei hatte. Der Kläger war der Ansicht, dass die Regelung den Gleichheitsgrundsatz verletzt, weil es dem Richter nicht erlaubt war die Vollstreckung des Fahrverbots nur auf Wochentage zu beschränken. Der Verfassungsgerichtshof entschied, dass diese Regelung verfassungskonform ist, sodass das Gleichheitsgebot durch diese Unterscheidung nicht verletzt wird (Verfassungsgerichtshof, 30. November 2017, n° 137/2017).
Verschiedenes vom Kassationshof
- Vorfahrtsberechtigung abhängig von der Sichtbarkeit
Wenn die Vorfahrtsberechtigung keinen Bedingungen unterworfen ist, ist die Verpflichtung den vorfahrtsberechtigten Fahrer den Vortritt zu lassen generell und unabhängig von der Beachtung der Regeln der Straßenverkehrsordnung durch den vorfahrtsberechtigten Fahrer. Dieser Grundsatz ist jedoch abhängig davon, dass der Vorfahrtsschuldner den Vorfahrtsberechtigten sehen konnte, als er losfuhr. Wenn der Vorfahrtsschuldner aufwirft, dass, als er losfuhr, der Vorfahrtsberechtigte nicht zu sehen war und dieser nur aufgrund seiner hohen Geschwindigkeit plötzlich an dem Ort, an dem der vorfahrtsberechtigten war auftauchte, hat der Richter die Verpflichtung dieses Verteidigungsargument, welches dazu führen kann, dass der ursprüngliche Vorfahrtsschuldner für den Unfall nicht verantwortlich ist, zu prüfen (Kass., 27/112017, C.17.0233.F).
- Intervention der Feuerversicherung bei Verstößen gegen die Urbanismusgesetzgebung
Nachdem ein Gericht entschieden hatte, dass eine Immobilie abgerissen werden müsse, weil diese nicht den Urbanismusbestimmungen entspricht, fing diese Feuer und brannte ganz nieder. Der Eigentümer der Immobilie verlangte daraufhin von seiner Feuerversicherung den Versicherungsbetrag. Die Versicherungsgesellschaft verweigerte die Auszahlung dieser Summe, weil letztere nur dafür da sei, das Vermögen des Versicherten wiederherzustellen. Die Versicherung war der Ansicht, dass, da die Immobilie sowieso hätte abgerissen werden müssen, dem Vermögen des Versicherten durch den Brand kein Schaden entstanden ist. Der Appellationshof Lüttich entschied, dass die illegal gebaute Immobilien, welche zerstört werden musste trotzdem einen Vermögens-und Wirtschaftswert behält und dass die Auszahlung der Entschädigungssumme rechtens bleibt, weil sie für den Wiederaufbau einer neuen Immobilie an einem anderen Ort genutzt werden kann und die gesetzlichen Bestimmungen auch vorsehen, dass mit dem ausgezahlten Geld nicht unbedingt neu gebaut werden muss. Der Kassationshof bestätigte diese Entscheidung (Kass., 17/11/2017, C.16.0126F).
- Zeitpunkt der Verjährungsunterbrechung durch einen kontradiktorischen Antrag
In den Fällen, in denen das Arbeitsgericht mit einem kontradiktorischen Antrag befasst werden kann, kann dieser entweder zur Geschäftsstelle des Gerichtes geschickt werden oder dort hinterlegt werden. Daraus resultiert, dass, im Falle des Versands, die Verjährungsunterbrechende Wirkung des Antrags an dem Tag eintritt, an dem das Schriftstück verschickt wurde und nicht erst, wenn es beim Gericht angekommen ist (Kass., 13/11/2017, S.17.0028.F).
Verschiedene Maßnahmen im Arbeitsrecht
Zwei Gesetze vom 25. Dezember 2017 und vom 15. Januar 2018 bringen Neuerungen im Arbeitsrecht mit sich.
Gewisse Maßnahmen sind bereits in Kraft getreten (Aussetzung des Arbeitsvertrages wegen Arbeitslosigkeit aus wirtschaftlichen Gründen, keine Verpflichtung zum Outplacement bei medizinischen Gründen, Ersatzverträge für teilweise wieder arbeitsfähige Arbeitnehmer, Nacht- und Sonntagsarbeit im Online-Handel, …).
Andere Maßnahmen werden in den nächsten Wochen/Monaten in Kraft treten (elektronische Unterzeichnung und Archivierung von Arbeitsverträgen, …).
Kassationsrechtsprechung im Strafrecht
I. In der Anwendung des Artikels 71 des Strafgesetzbuches liegt keine Straftat vor, wenn der Angeklagte zum Tatzeitpunkt einen unüberwindbaren Fehler begangen hat. Ein Transportunternehmen, welches die zu transportierenden Ware ohne die eigentlich notwendige gerichtliche Erlaubnis verkauft hat, warf vor dem Appellationshof Lüttich auf, dass, da dies auf Anraten ihres spezialisierten Rechtsbeistandes geschah, der die Legalität dieser Vorgehensweise bestätigte, sie nicht strafrechtlich belangt werden könne, weil sie einen unüberwindbaren Fehler begangen habe. Das Berufungsgericht folgte dieser These und sprach den Angeklagten frei. Der Kassationshof hat diese Entscheidung kassiert. Die Richter entschieden, dass ein unüberwindbarer Fehler eines Angeklagten nicht alleine damit begründet werden kann, dass er dem Rat, handele es sich hierbei auch um einen hochspezialisierten Rat, seines Rechtsanwaltes folgte. Es kann nur dann von einem unüberwindbaren Fehler gesprochen werden, wenn jeder Transportunternehmer in der gleichen Situation denselben Fehler begangen hätte, was es dem Richter obliegt zu überprüfen (Kass., 06.09.2017, P. 17.0489. F).
II. Der Antrag auf Wohnsitzeintragung an einer falschen Adresse ist eine Fälschung ungeachtet der Tatsache, dass er im Nachhinein verwaltungsrechtlich kontrolliert wird (Kass., 25.10.2017, P. 17.0277.F).
III. Eine strafrechtlich verurteilte Person, die mit einem Urteil nicht einverstanden ist kann Berufung gegen diese Entscheidung einlegen. Diese Berufung muss, im Prinzip, innerhalb einer gewissen Frist und mittels eines hierfür vorgesehenen Formulars eingelegt werden. Eine verurteilte Person, die ihre Berufung zu spät eingereicht hat, beschwerte sich vor dem Kassationshof darüber, dass sie nicht ausdrücklich darüber informiert wurde (durch das Urteil oder durch das Formular, dass sie ausfüllen musste) innerhalb welcher Frist sie die Berufung hätte einlegen müssen, sodass ihre verspätete Berufung, aufgrund der Abwesenheit einer solchen Information, für zulässig erklärt werden müsse. Der Kassationshof folgt dieser These nicht. Demnach gibt es keine spezielle Verpflichtung den Verurteilten auf die Länge der Berufungsfrist hinzuweisen (Kass., 25.10.2017, P. 17.0898.F).