Verfassungsgerichtshof äußert sich zur Sprache der Protokolle über Taten, die im deutschen Sprachgebiet begangen worden sind

In seinem Entscheid Nr. 156/2025 vom 27. November 2025 hat der Verfassungsgerichtshof entschieden, dass die Auslegung, wonach ein Protokoll in Bezug auf Taten, die im deutschen Sprachgebiet begangen wurden,  auf Französisch oder Niederländisch verfasst werden muss, wenn dieses in einem anderen Sprachgebiet als dem deutschen abgefasst wurde, nicht mit dem Gleichheitsgebot und Diskriminierungsverbot sowie dem Recht auf ein faires Verfahren vereinbar ist.

Mit der Verfassung vereinbar ist hingegen die Auslegung, wonach ein Protokoll in Bezug auf Taten, die im deutschen Sprachgebiet begangen wurden,  auf Deutsch verfasst werden muss, unabhängig vom Sprachgebiet, in dem dieses Protokoll abgefasst wurde.

Die Übernahme der finanziellen Ausgaben der Kirchenfabriken durch die Gemeinden ist nicht unbegrenzt

Die Kirchenfabrik Andenne tätigte eine Ausschreibung, um verschiedene Bauarbeiten an eine ihrer Immobilien durchführen zu lassen.

Der Bauunternehmer, der diesen öffentlichen Markt erhielt, wurde nicht ganz bezahlt und wendete sich dann gegen die Stadt Andenne mit dem Argument, dass diese die gesetzliche Verpflichtung habe die Kosten der Kirchenfabrik in ihrem Haushalt einfließen zu lassen und somit die nicht bezahlten Rechnungen zu übernehmen.

Sowohl die Grundrichter als auch der Kassationshof wiesen diese Klage ab.

Die Bestimmungen des imperialen Dekrets vom 30. Dezember 1809 bezüglich der Kirchenfabriken verpflichten die Gemeinden nur dazu die fehlenden Ressourcen der Kirchenfabrik zu übernehmen, wenn es sich bei den Verbindlichkeiten, um Lasten handelt, denen die Kirchenfabriken sich nicht entziehen dürfen, weil sie notwendig sind, um ihre wesentliche Funktion auszuüben.

(Kass., 2/02/2023, C.22.0220.F)

Ein Angeklagter hat das Recht persönlich vor Gericht zu erscheinen

Aus verschiedenen nationalen Rechtstexten und aus dem Grundsatz, dass einer Person ein fairer Prozess geboten werden muss, entspringt der Grundsatz, dass ein Angeklagter die Möglichkeit haben muss persönlich vor seinem Richter zu erscheinen, auch wenn er durch einen Anwalt begleitet wird.

Auch wenn dieses Recht nicht unbegrenzt ist, muss ein Richter einem Vertagungsantrag trotzdem immer dann stattgeben, wenn der Beschuldigte plausibel darlegt, dass er krank ist und somit nicht an der Sitzung teilnehmen kann

(Kass., 13/06/2023, P.23.0316.N)

Die Höhe der Kaution darf auch dem Gewinn aus den vorgeworfenen Straftaten Rechnung tragen

Das Gesetz sieht vor, dass eine Kaution, die ein vorläufig Festgenommener zahlen muss, um freigelassen zu werden, den finanziellen Möglichkeiten dieser Person Rechnung trägt.

Bei den finanziellen Möglichkeiten des Gefangen handelt sich nicht nur um seine legalen Einkünfte, sondern auch um die Einkünfte, die er aus den strafbaren Handlungen gezogen haben könnte.

Die Anklagekammer darf die Kaution auf 20.000 € festlegen, wenn beachtlichen Mengen Kokain beschlagnahmt wurden.(Kass., 14/06/2023, P.23.0817.F)

Windräder im Agrargebiet : Der Verfassungsgerichtshof äußert sich

Im Rahmen des alten Urbanismus- und Städtebaugesetzbuches (C.W.A.T.U.P.) war es grundsätzlich verboten Windkrafträder im Agrargebiet anzubringen. 

Um trotzdem Windräder in einem Agrargebiet zu bauen, benötigte man eine Ausnahmegenehmigung der zuständigen Behörden. 

Das Gesetzbuch über die räumliche Entwicklung, welches den C.W.A.T.U.P. ersetzt hat, sieht vor, dass unter gewissen Voraussetzungen Windkrafträder im Agrargebiet gebaut werden können, ohne dass eine Ausnahmegenehmigung notwendig ist.

Der Staatsrat stellte sich die Frage, ob diese Bestimmung nicht das Standstillprinzip verletzt, welches verlangt, dass eine Gesetzgebung, ohne triftigen Grund, keinen signifikanten Rückschritt im Umweltschutz auf den Weg bringen kann, wenn es dafür keinen triftigen Grund gibt.

Der Verfassungsgerichtshof validierte die neue Gesetzgebung und sah keine Verletzung des Standstillprinzips.

(VGH 111/2024, 24/10/2024)

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