Ein Angeklagter hat das Recht persönlich vor Gericht zu erscheinen

Aus verschiedenen nationalen Rechtstexten und aus dem Grundsatz, dass einer Person ein fairer Prozess geboten werden muss, entspringt der Grundsatz, dass ein Angeklagter die Möglichkeit haben muss persönlich vor seinem Richter zu erscheinen, auch wenn er durch einen Anwalt begleitet wird.

Auch wenn dieses Recht nicht unbegrenzt ist, muss ein Richter einem Vertagungsantrag trotzdem immer dann stattgeben, wenn der Beschuldigte plausibel darlegt, dass er krank ist und somit nicht an der Sitzung teilnehmen kann

(Kass., 13/06/2023, P.23.0316.N)

Die Höhe der Kaution darf auch dem Gewinn aus den vorgeworfenen Straftaten Rechnung tragen

Das Gesetz sieht vor, dass eine Kaution, die ein vorläufig Festgenommener zahlen muss, um freigelassen zu werden, den finanziellen Möglichkeiten dieser Person Rechnung trägt.

Bei den finanziellen Möglichkeiten des Gefangen handelt sich nicht nur um seine legalen Einkünfte, sondern auch um die Einkünfte, die er aus den strafbaren Handlungen gezogen haben könnte.

Die Anklagekammer darf die Kaution auf 20.000 € festlegen, wenn beachtlichen Mengen Kokain beschlagnahmt wurden.(Kass., 14/06/2023, P.23.0817.F)

Wann ist es Polizeibeamten erlaubt eine Privatwohnung zu betreten?

Der Fahrer eines Autos, den die Polizeibeamten wegen Alkoholkonsums kontrollieren wollten, befand sich zu Hause.

Seine Ehefrau öffnete die Tür und die Polizeibeamten sind in das Haus gegangen, um den Fahrer zu kontrollieren.

Vor dem Strafgericht stellte sich die Frage, ob die Polizeibeamten die Wohnung betreten durften, weil die Ehefrau des Fahrers die Haustüre geöffnet hat.

Der Kassationshof hat entschieden, dass Polizisten eine Privatwohnung immer dann betreten dürfen, wenn hierfür eine unzweideutige Zustimmung durch einen der Nutzer gegeben wird.

Eine solche Zustimmung muss nicht schriftlich erfolgen, sondern kann aus den gegebenen Umständen abgeleitet werden. 

Die alleinige Tatsache, dass der Polizei die Tür geöffnet wird, reicht aber nicht, um zu schlussfolgern, dass der Bewohner des Hauses damit einverstanden war, dass die Polizei die Wohnung betritt.

(Kass. 12/12/2023, P.23.1074.N)

N.B.

Es handelt sich nicht um eine Hausdurchsuchung, wofür in der Regel eine schriftliche Zustimmung notwendig ist.

Die Rücknahme der Ausführung eines Haftbefehls mittels Fußfesseln (elektronische Überwachung) bedarf keiner vorherigen Anhörung durch den Untersuchungsrichter.

Wenn der Untersuchungsrichter einen Haftbefehl erlässt, kann er entscheiden, dass dieser durch elektronische Überwachung durchgeführt wird (Fußfessel). In diesem Fall darf der Beschuldigte, in der Regel, seine Wohnung nicht verlassen.

Der Untersuchungsrichter kann diese Maßnahme zurücknehmen, was dazu führt, dass das Opfer des Haftbefehls ins Gefängnis muss.

Der Kassationshof hat entschieden, dass der Untersuchungsrichter diese Person nicht anhören muss, bevor er die Rücknahme der elektronischen Überwachung anordnet (Kass., 28/12/22, P.22.1702.F).

Der Beleg der Minderjährigkeit ist eine freie Ermessensentscheidung des Grundrichters.

Im Regelfall können nur Volljährige für die Begehung von Straftaten belangt werden. Wie stellt man jedoch fest, ob eine Person, die bestreitet volljährig zu sein, tatsächlich minderjährig ist oder nicht?

 Der Kassationshof hat entschieden, dass, insofern kein spezifischer Beweismodus durch das Gesetz vorgesehen ist, der Grundrichter nach freiem richterlichen Ermessen entscheidet, ob eine Person volljährig oder minderjährig ist. (Kass., 16/02/2022, P. 21.1153.F).

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