Arbeitsstrafrecht: Kassationshof präzisiert die Pflichten der Arbeitgeber bezüglich der Übermittlung von Dokumenten an die Arbeitsinspektion (Sozialinspektion).

Ein Arbeitgeber darf sich nicht auf sein Aussageverweigerungsrecht (sein Recht zu schweigen) oder auf sein Recht sich nicht selbst zu belasten berufen, um der Arbeitsinspektion Dokumente vorzuenthalten, die er von Gesetzes wegen verpflichtet ist zu erstellen und zu haben (Kass., 7/03/2018, P. 17.0558.F).

Kassationshof fällt Grundsatzurteil bezüglich der einforderbaren Prozesskosten durch den sanktionierenden Beamten bei umweltrechtlichen Geldstrafen.

Wenn der sanktionierende Beamte der wallonischen Region wegen eines Verstoßes gegen die Umweltgesetzgebung jemandem eine Geldstrafe auferlegt und diese gerichtlich angefochten wird, darf der sanktionieren Beamte, wenn er den Prozess gewinnt, keine Prozesskostenvergütung erhalten (Kass., 11/04/2018, P. 18.0114.F).

Schuldanerkennung: Kassationshof präzisiert die Fälligkeit und Verjährung von Schuldanerkenntnissen.

Wenn jemand einen Schuldschein zugunsten einer anderen Person ausstellt, ist der Geldbetrag, der darin enthalten ist nicht unbedingt sofort fällig. Wenn das Fälligkeitsdatum in dem Schuldschein vermerkt ist, ist dieses ausschlaggebend und ab dem Zeitpunkt läuft dann auch die Verjährung. Wenn in dem Schuldschein nicht steht, wann er fällig ist, handelt es sich um eine Verpflichtung auf unbestimmte Dauer, die durch den Gläubiger gekündigt werden muss. Er muss eine vernünftige Kündigungsfrist beachten, die vom Gesetz nicht festgelegt wird und im Streitfall vom Richter bestimmt wird und erst nach Beendigung dieser Kündigungsfrist ist der Betrag, der im Schuldschein vermerkt ist fällig und ab dann läuft die Verjährung (Kass., 27/04/2018, C. 17.0098.F).

Kassationshof präzisiert den legitimen Entschuldigungsgrund.

Wenn eine Partei beim Prozess abwesend war und gegen sie ein Versäumnisurteil ergangen ist, kann sie gegebenenfalls Einspruch gegen das Urteil einlegen. Dieser Einspruch kann jedoch nur angenommen werden, wenn der Abwesende die ursprüngliche Vorladung nicht zur Kenntnis genommen hat. Ist dies nicht der Fall, muss der Abwesende eine vernünftige Entschuldigung für seine Abwesenheit geltend machen. Der Kassationshof entschied nun, dass ein vernünftiger Entschuldigungsgrund immer dann vorliegt, wenn der Abwesenheitsgrund nicht darauf schließen lässt, dass der Abwesende auf sein Recht vor Gericht zu erscheinen und sich zu verteidigen verzichten wollte, oder sich nicht der Justiz entziehen wollte (Kass., 9/05/2018, P. 17.114.F).

Entscheidungs- und Mitteilungsfristen bei Anträgen auf Familienzusammenführung mit einem Unionsbürger

Aus der belgischen Gesetzgebung ergibt sich, dass das Ausländeramt sechs Monate hat, um einen Antrag auf Familienzusammenführung mit einem EU-Bürger zu bearbeiten.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in seinem Entscheid vom 27. Juni 2018 (C-246/17) klargestellt, dass das Ausländeramt innerhalb dieser Sechsmonatsfrist nicht nur über den Antrag auf Familienzusammenführung  entscheiden, sondern diese Entscheidung auch bekannt geben muss (Notifizierung).

Bislang ist in der belgischen Gesetzgebung vorgesehen, dass die Überschreitung der Sechsmonatsfrist zur Folge hat, dass dem Antragsteller automatisch eine Aufenthaltskarte (F-Karte) ausgestellt wird. Dies ist für den Europäischen Gerichtshof jedoch unionsrechtswidrig, da somit Personen eine Aufenthaltskarte ausgestellt werden könnte, die gar nicht die Aufenthaltsbedingungen erfüllen. Eine Aufenthaltskarte dürfe auch im Falle einer Überschreitung des Sechsmonatsfrist nur dann ausgestellt werden, wenn zuvor geprüft wurde, ob die Aufenthaltsbedingungen tatsächlich erfüllt sind. Mit andren Worten hätte die Überschreitung der Sechsmonatsfrist keine konkrete Folge. Der belgische Gesetzgeber hätte laut EuGH jedoch die Möglichkeit vorzusehen, dass die Überschreitung der Sechsmonatsfrist eine Ablehnung des Antrags bedeutet.

Eine weitere Frage, welche der Europäische Gerichtshof beantwortet hat, ist, ob das Ausländeramt, wenn dessen Ablehnungsentscheidung durch ein Gericht aufgehoben wird, wieder über eine volle Sechsmonatsfrist verfügt, um eine neue Entscheidung bezüglich des Antrags auf Familienzusammenführung zu treffen. Der EuGH ist der Ansicht, dass eine neue Sechsmonatsfrist ab Urteil, welches die Ablehnung für nichtig erklärt, das Recht des Familienmitglieds des Unionsbürgers verletzen würde in kürzester Zeit eine Aufenthaltskarte zu erhalten. Die neue Entscheidung müsse daher innerhalb einer „angemessenen Frist“ ab Urteil getroffen werden, wobei diese auf jeden Fall kürzer als sechs Monate sein müsse.

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