Der Kassationshof stärkt die Rechte der Arbeitnehmer:

Ein Arbeitgeber hatte seinen Angestellten anlässlich von mehreren Versammlungen gefragt, ob er, im Rahmen der Ausführung seines Arbeitsvertrags in Rumänien, mit einer rumänischen Firma A Kontakte habe. Dies hat der Arbeitnehmer stets verneint.

Im Rahmen einer Kontrolle der E-Mails des Arbeitnehmers wurde festgestellt, dass er die Gesellschaft A kennen musste. Wegen dieser Lüge wurde der Arbeitnehmer aus schwerwiegendem Grund entlassen.

Der Arbeitgeber warf auf, dass er die Erlaubnis seines Angestellten erhalten habe, um den E-Mail-Verkehr zu prüfen. Der Arbeitnehmer bestritt dies.

Der Arbeitsgerichtshof war der Ansicht, dass es egal sei, ob der Arbeitnehmer sein Einverständnis bezüglich der Überprüfung der E-Mails gegeben hätte, da es sich ausschließlich um berufliche E-Mails gehandelt habe.

Der Kassationshof hat diese Entscheidung kassiert. Laut unserer obersten Gerichtsbarkeit verlangt Art. 124 des Gesetzes vom 13. Juli 2005 bezüglich der elektronischen Kommunikation, dass der Arbeitgeber die Erlaubnis von seinem Arbeitnehmer erhält, um E-Mails zu konsultieren, die ihm nicht persönlich zugestellt wurden (Kass., 20/05/2019, S.17.0089.F).

Das interprofessionelle Abkommen fördert die Maßnahmen, die zur Einstellung eines gekündigten Arbeitnehmers führen und regelt die Prozedur der gütlichen Eintreibung von Forderungen durch das Landesamt für soziale Sicherheit.

Das Gesetz vom 26. Juli 2019 führt das interprofessionelle Abkommen 2019-2020 aus.

Dieses Gesetz ändert den ersten Absatz des Artikels 39 ter des Gesetzes vom 3/07/1978 bezüglich der Arbeitsverträge. Diese Bestimmung besagt, dass, wenn ein Arbeitnehmer Anrecht auf mindestens 30 Wochen Kündigungszeit hat (oder eine gleich gelagerte Kündigungsausgleichsentschädigung), muss ein Drittel hiervon für Maßnahmen genutzt werden, die die Einstellbarkeit des entlassenen Arbeitnehmers erhöhen.

Durch das gleiche Gesetz wird Art. 40 des Gesetzes vom 27. Juni 1969 bezüglich der sozialen Sicherheit der Arbeiter abgeändert. Das Landesamt für soziale Sicherheit muss nun, bevor es eine Forderung gerichtlich oder durch einen Zwangsbefehl eintreibt, dem Schuldner eine Inverzugsetzung per Einschreiben oder auf elektronischem Weg zukommen lassen, welche, zur Strafe der Nichtigkeit, vorsieht, dass der Schuldner innerhalb einer Frist von einem Monat seine Bemerkungen zur Forderung des Landesamt für soziale Sicherheit geltend machen kann, oder einen Zahlungsplan vorschlagen kann. Diese Inverzugsetzung muss ebenfalls den Schuldner darauf hinweisen, dass die Forderung des Landesamts bestritten werden kann, und wie er dies machen muss.

Die Kontrolle der Arbeitsgerichte einer Entscheidung der Dispenskommission für die Zahlung der Sozialbeiträge der Selbstständigen ist auf die Rechtmäßigkeit (Legalität) der Entscheidung der Kommission beschränkt:

Ein Selbstständiger, der bedürftig ist, kann sich an die Dispenskommission wenden, um ein Dispens für die Zahlung der Sozialbeiträge zu erhalten. Eine negative Entscheidung dieser Kommission ist vor dem Arbeitsgericht anfechtbar. Die Frage, die sich stellt, ist, ob das Arbeitsgericht, wenn es der Ansicht ist, dass die Entscheidung der Kommission illegal ist, eine neue Entscheidung treffen kann, oder das Gericht sich darauf beschränken muss die Entscheidung der Kommission zu annullieren, was dann dazu führt, dass die Kommission neu entscheiden muss. Anders ausgedrückt bedeutet dies unter anderem, dass sich die Frage stellt, ob das Arbeitsgericht den Dispens anstelle der Kommission gewähren darf. Am 14. Januar 2019 hat der Kassationshof entschieden, dass die Arbeitsgerichte nur eine Legalitätskontrolle der Entscheidung der Kommission durchführen dürfen, was bedeutet, dass sie sich darauf beschränken müssen, diese zu annullieren. Sie dürfen nicht den Dispens der Zahlung der Sozialbeiträge selbst gewähren (Kass., 14/01/2019, S.18.0032.F).

Kassationshof erklärt, wann kranke Ausländer Anrecht auf Sozialhilfe haben.

Bereits vor einiger Zeit hatte der Europäische Gerichtshof (Entscheid C-562/13 vom 18. Dezember 2014) geurteilt, dass ein Einspruch gegen eine Entscheidung, die einem schwer kranken Ausländer auferlegt, die Europäische Union zu verlassen, eine aufschiebende Wirkung haben muss, wenn die Ausführung dieser Entscheidung den Ausländer einer ernsthaften Gefahr einer schweren und irreversiblen Verschlechterung seines Gesundheitszustands aussetzen könnte (sog. „Abdida-Rechtsprechung“). Mit anderen Worten muss einem Ausländer, welcher sich in einer solchen Situation befindet, die Möglichkeit gegeben werden, solange in der Europäischen Union zu bleiben, bis über seinen Einspruch entschieden wurde.

Der Kassationshof (Entscheid S.18.0022.F  vom 25. März 2019) ist der Ansicht, dass es nicht erforderlich ist, dass der Einspruch vor dem Rat für Ausländerstreitsachen gegen eine Ablehnungsentscheidung eines Antrages auf medizinische Regularisierung (Art. 9ter des Aufenthaltsgesetzes) auf ersten Blick begründet scheint und dass der Ausländer den Nachweis der Schwere seiner Erkrankung sowie des vorgenannten Risikos erbringt, damit seinem Einspruch eine aufschiebende Wirkung zugesprochen werden kann. Vielmehr reiche es aus, wenn ein vertretbarer Beschwerdegrund gegen die Ablehnungsentscheidung des Antrages auf medizinische Regularisierung vorgebracht werde.

In solchen Fällen hätte der betroffene Ausländer auch Anrecht auf Sozialhilfe.

Kassationshof: Orange Karte eröffnet Anrecht auf garantierte Familienzulagen.

Der Kassationshof (Entscheid S.17.0086.F/10 vom 8. April 2019) kommt zu dem Schluss, dass die Kinder eines Ausländers, dessen Antrag auf medizinische Regularisierung (Art. 9ter des Aufenthaltsgesetzes) für zulässig erklärt wurde und welchem demnach eine sog. „orange Karte“ (Eintragungsbescheinigung – Muster A) ausgestellt wurde, Anrecht auf garantierte Familienzulagen haben.

/KONTAKTDATEN

Kelmis 

Kapellstraße 26
B-4720 Kelmis

T +32 (0) 87 65 28 11
F +32 (0) 87 55 49 96
E info@levigo-avocats.be