Der Kassationshof präzisiert einige Rechtsregeln bezüglich der strafrechtlichen Beschlagnahmung:

Wenn ein Straftäter verurteilt wird, weil er eine oder mehrere Straftaten begangen hat, sieht das Gesetz, unter gewissen Voraussetzungen, zwingend vor, dass gewisse Dinge beschlagnahmt werden.  Manchmal ist diese Beschlagnahmung fakultativ.

Artikel 204 des Strafverfolgungsgesetzbuchs sieht vor, dass der Berufungsrichter, außer in den Ausnahmefällen, die in Artikel 210, Absatz 2 des Strafverfolgungsgesetzbuches aufgeführt sind, nur über die Kritikpunkte befinden kann, über die es durch den Berufungsantrag befasst wurde.

In einer Angelegenheit, in welcher der Straftäter der Beschlagnahmung in der ersten Instanz entgangen ist, hat die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt, hat jedoch nicht mitgeteilt, dass die Berufung auch die Entscheidung betrifft, dass keine Beschlagnahmung angeordnet wurde. 

Der Kassationshof hat jedoch entschieden, dass es reicht, wenn die Staatsanwaltschaft bezüglich der Strafe im Allgemeinen in Berufung geht, damit das Berufungsgericht auch mit der Frage der Beschlagnahmung befasst ist.

Wenn die Beschlagnahmung fakultativ ist, sieht das Gesetz vor, dass die Staatsanwaltschaft diese mittels schriftlicher Anträge verlangt.  Der Kassationshof entschied, dass diese Formbestimmung als beachtet gilt, wenn ein mündlicher Antrag der Staatsanwaltschaft im Sitzungsblatt notiert wird (Kass., 12/09/2018, P. 18.0350).

Kassationshof präzisiert den legitimen Entschuldigungsgrund.

Wenn eine Partei beim Prozess abwesend war und gegen sie ein Versäumnisurteil ergangen ist, kann sie gegebenenfalls Einspruch gegen das Urteil einlegen. Dieser Einspruch kann jedoch nur angenommen werden, wenn der Abwesende die ursprüngliche Vorladung nicht zur Kenntnis genommen hat. Ist dies nicht der Fall, muss der Abwesende eine vernünftige Entschuldigung für seine Abwesenheit geltend machen. Der Kassationshof entschied nun, dass ein vernünftiger Entschuldigungsgrund immer dann vorliegt, wenn der Abwesenheitsgrund nicht darauf schließen lässt, dass der Abwesende auf sein Recht vor Gericht zu erscheinen und sich zu verteidigen verzichten wollte, oder sich nicht der Justiz entziehen wollte (Kass., 9/05/2018, P. 17.114.F).

Reform der Kassationsprozedur in Strafsachen: die Konturen verschärfen sich.

Seit der letzten grundlegenden Reform der Kassationsprozedur in Strafrechtsangelegenheiten dürfen nur noch Rechtsanwälte, die eine entsprechende Zulassung erhalten haben vor dem Kassationshof auftreten. Die gesetzlichen Bestimmungen ließen jedoch noch einige Fragen offen, was dazu führt, dass die Rechtsbrechung des Kassationshofs diese Präzision nun nach und nach erbringt. Das Gesetz sieht vor, dass der Kassationsbeklagte auf das Memorandum des Klägers antworten darf. Das Antwortmemorandum muss dem Kläger per Einschreiben zugeschickt werden. Ein Versand per Einschreiben an den Rechtsanwalt des Klägers reicht nicht aus. Das Memorandum, das auf diesem Weg zugeschickt wurde ist unzulässig (Kass., 20/12/2017, 17.0426.F).

Die Ratskammer und die Anklagekammer dürfen missbräuchliche Handlungen des Opfers (Zivilpartei) bestrafen.

Eine Zivilpartei hat die Möglichkeit gegen eine Entscheidung der Ratskammer, die das Verfahren einstellt, Berufung einzulegen. Der Kassationshof entschied, dass diese Berufung willkürlich und missbräuchlich sein kann und diese Zivilpartei somit zu Schadensersatz zugunsten des Angeschuldigten verurteilt werden kann (Kass., 20/12/2017, 17.0426.F).

Kassationsrechtsprechung im Strafrecht

I. In der Anwendung des Artikels 71 des Strafgesetzbuches liegt keine Straftat vor, wenn der Angeklagte zum Tatzeitpunkt einen unüberwindbaren Fehler begangen hat. Ein Transportunternehmen, welches die zu transportierenden Ware ohne die eigentlich notwendige gerichtliche Erlaubnis verkauft hat, warf vor dem Appellationshof Lüttich auf, dass, da dies auf Anraten ihres spezialisierten Rechtsbeistandes geschah, der die Legalität dieser Vorgehensweise bestätigte, sie nicht strafrechtlich belangt werden könne, weil sie einen unüberwindbaren Fehler begangen habe. Das Berufungsgericht folgte dieser These und sprach den Angeklagten frei. Der Kassationshof hat diese Entscheidung kassiert. Die Richter entschieden, dass ein unüberwindbarer Fehler eines Angeklagten nicht alleine damit begründet werden kann, dass er dem Rat, handele es sich hierbei auch um einen hochspezialisierten Rat, seines Rechtsanwaltes folgte. Es kann nur dann von einem unüberwindbaren Fehler gesprochen werden, wenn jeder Transportunternehmer in der gleichen Situation denselben Fehler begangen hätte, was es dem Richter obliegt zu überprüfen (Kass., 06.09.2017, P. 17.0489. F).

 II. Der Antrag auf Wohnsitzeintragung an einer falschen Adresse ist eine Fälschung ungeachtet der Tatsache, dass er im Nachhinein verwaltungsrechtlich kontrolliert wird (Kass., 25.10.2017, P. 17.0277.F).

 III. Eine strafrechtlich verurteilte Person, die mit einem Urteil nicht einverstanden ist kann Berufung gegen diese Entscheidung einlegen. Diese Berufung muss, im Prinzip, innerhalb einer gewissen Frist und mittels eines hierfür vorgesehenen Formulars eingelegt werden. Eine verurteilte Person, die ihre Berufung zu spät eingereicht hat, beschwerte sich vor dem Kassationshof darüber, dass sie nicht ausdrücklich darüber informiert wurde (durch das Urteil oder durch das Formular, dass sie ausfüllen musste) innerhalb welcher Frist sie die Berufung hätte einlegen müssen, sodass ihre verspätete Berufung, aufgrund der Abwesenheit einer solchen Information, für zulässig erklärt werden müsse. Der Kassationshof folgt dieser These nicht. Demnach gibt es keine spezielle Verpflichtung  den Verurteilten auf die Länge der Berufungsfrist hinzuweisen (Kass., 25.10.2017, P. 17.0898.F).

 

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