Ein Haftbefehl ist illegal, wenn der Untersuchungsrichter den Beschuldigten im Rahmen einer falschen Qualifizierung der Fakten vernimmt.

In der Regel muss ein Beschuldigter, bevor ein Haftbefehl durch den Untersuchungsrichter erlassen wird, bezüglich der Taten, die die Grundlage der Beschuldigungen sind und die zum Erlassen eines Haftbefehls führen können, in seinen Bemerkungen angehört werden.

Diese Befragung stellt ein Attribut der Verteidigungsrechte und der individuellen Freiheit eines Jeden dar. Sie dient dazu, dass der Beschuldigte den Untersuchungsrichter seine Bemerkungen bezüglich der Beschuldigung, die gegen ihm vorgebracht wird, unterbreiten kann.

Daher darf der Untersuchungsrichter nicht die Qualifizierung der Taten, die dem Beschuldigten vorgeworfen werden, ändern, ohne ihn erneut zu vernehmen.

In einer Angelegenheit, die unlängst beurteilt wurde, hatte ein Untersuchungsrichter einen Beschuldigten wegen unterlassener Hilfeleistung vernommen und dann Haftbefehl erlassen. Im Nachhinein wurde die Qualifizierung auf dem Haftbefehl in Todschlag geändert. Der Beschuldigte ist bezüglich der Qualifizierung des Todschlags nicht vernommen worden.

Der Kassationshof kassierte die Entscheidung der Anklagekammer, die diesen Haftbefehl für rechtmäßig erklärte (Kass., 4/03/2020, P. 20.0225.f).

Beistand eines Anwalts im Rahmen der Vernehmungen: Der Kassationshof schwächt die Rechte des Beschuldigten.

Grundsätzlich hat ein Beschuldigter in Belgien das Recht, wenn er von Polizisten vernommen wird, sich durch einen Rechtsanwalt begleiten zu lassen.

Wenn dieses Recht missachtet wird, darf das Gericht eine Verurteilung des Beschuldigten eigentlich nicht auf die Aussagen fußen, die ein Beschuldigter gemacht hat, ohne dass er durch einen Rechtsanwalt begleitet wurde.

Diese Position wurde jetzt durch den Kassationshof, in dem dieser sich auf die neueste Rechtsprechung des Europäischen Menschengerichtshofs basiert, gelockert.

Es muss nun von Mal zu Mal geprüft werden, ob die Prozedur, global gesehen (sprich vom Anfang an bis zum Urteil) gerecht verlaufen ist.  Wenn dies nicht der Fall ist, dann muss die strittige Vernehmung von den Debatten ausgeschlossen werden, was bedeutet, dass die Aussage nicht verwertbar ist.  Ist dies wohl der Fall, kann das Gericht sie berücksichtigen.

Die Aussagen, die ein Beschuldigter bei der Polizei macht, ohne dass er von einem Rechtsanwalt begleitet wird, sind demnach nicht automatisch auszuschließen (Kass., 5/02/2020, P. 19.0623.F).

Haftbefehl ohne Erwähnung des Tatorts und Tatzeitpunkts ist nicht notwendigerweise illegal.

Insofern keine gesetzliche Bestimmung etwas anderes vorsieht, ist ein Haftbefehl nicht dadurch illegal, dass der Tatort und der Tatzeitpunkt darin nicht enthalten sind.

Es gilt zu prüfen, ob der Inhaftierte seine Verteidigungsrechte hat geltend machen können.  Demnach, wenn aus der Akte hervorgeht, die dem Inhaftierten zur Verfügung gestellt worden ist, dass er durch deren Konsultation präzise genug über den Tatzeitpunkt und den Tatort der Straftat, die ihm vorgeworfen wird, informiert wurde, um sich zu verteidigen, ist der Haftbefehl, der weder den Tatzeitpunkt noch den Tatort enthält, nicht illegal (Kass., P.19.1269.F).

Verbot in anderen Verfahren der Nutzung gewisser Beweisunterlagen, die in Familienangelegenheiten entstanden sind:

In Anwendung der Artikel 50 und 55 des Gesetzes vom 08/04/1965 bezüglich des Jugendschutzes dürfen die Prozedurunterlagen bezüglich der Persönlichkeit des interessierten Minderjährigen und des Milieus in dem er lebt nur im Rahmen dieser Prozedur und im Interesse des Minderjährigen genutzt werden.

Solche Dokumente können jedoch auch in anderen Verfahren entstehen, wie zum Beispiel, wenn, bei einer Scheidung, über die Beherbergung des Kindes diskutiert wird. Für die anderen Verfahren gibt es jedoch keine ähnliche Ausschlussbestimmung, sodass eine Partei, die im Rahmen eines Strafverfahrens verfolgt wurde, zu ihrer Verteidigung, eine Expertise, die das minderjährige gemeinsame Kind betraf, hinterlegen wollte.

Der Appellationshof MONS hat diese Beweisunterlagen von den Debatten ausgeschlossen. Der Kassationshof hat diese Entscheidung bestätigt. Er ist der Ansicht, dass die Freiheit seine Verteidigung zu organisieren, wie es der angeklagten Person gefällt und die Freiheit, jegliche Unterlagen zu nutzen, die in ihrem Besitz sind, hier vor dem übergeordneten Interesse des minderjährigen Kindes weichen muss (Kass., 04/12/19, p. 18.0531.F).

Überschreitung der vernünftigen Frist, um jemanden zu verurteilen führt nicht zur Anwendbarkeit der Bewährungsregeln, dort wo sie ausgeschlossen waren:

Jede angeklagte Person hat das Recht, dass sein Verfahren innerhalb einer vernünftigen Frist abläuft. Ist diese vernünftige Frist überschritten, muss das Gericht dieser Tatsache bei der Strafbemessung Rechnung tragen. In schlimmen Fällen kann das Gericht es sogar bei einem einfachen Schuldspruch belassen, ohne eine Strafe auszusprechen.

Der Kassationshof ist mit der Frage befasst worden, ob ein Gericht, in den Fällen, in denen es eigentlich keine Bewährung aussprechen darf (zum Beispiel, weil der Angeklagte nicht mehr in den Bedingungen ist aufgrund verschiedener Vorstrafen, oder aufgrund eines Rückfalls), trotzdem eine Bewährungsstrafe aussprechen darf ,wenn es feststellt, dass die vernünftige Frist überschritten ist.

Laut Kassationshof ist dies nicht der Fall. Dies bedeutet, dass, wenn die vernünftige Frist überschritten ist, gibt es nicht die Möglichkeit eine nicht existente Bewährung auszusprechen (Kass., 16/10/2019, P.19.0608.F).

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