Kassationshof: Im Rahmen eines Staatenlosigkeitsantrages sind die Gerichte zuständig, um zu bestimmen, ob eine Körperschaft ein Staat ist.

Es ist umstritten, ob Palästina ein Staat ist und demnach ob Palästinenser eine Nationalität haben oder staatenlos sind.

Palästina wurde nicht durch die belgische Regierung als Staat anerkannt.

Für den Kassationshof (Entscheid C.21.0095.F vom 19. November 2021) ist dies jedoch nicht ausschlaggebend, um zu bestimmen, ob es sich um einen Staat handelt.

Vielmehr müsse das völkerrechtliche Gewohnheitsrecht herangezogen werden. Demnach bestehe ein Staat, wenn vier Bedingungen erfüllt sind:

  • Es muss eine Bevölkerung geben.
  • Es muss ein bestimmtes Gebiet geben.
  • Es muss eine Regierung geben, welche eine reelle und effektive Autorität ausübt.
  • Die Körperschaft muss die Fähigkeit aufweisen, mit anderen Staaten in Beziehung zu treten.

Zu der Frage, ob diese vier Bedingungen im Falle von Palästina erfüllt sind, hat sich der Kassationshof nicht geäußert.

Somit bleibt trotz der höchstrichterlichen Rechtsprechung alles beim Alten: Während manche Gerichte davon ausgehen, dass die vier vorgenannten Bedingungen erfüllt sind und Palästina ein Staat ist, äußern andere Gerichte Zweifel daran, dass Palästina über eine souveräne Staatsgewalt sowie die Fähigkeit mit anderen Staaten in Beziehung zu treten verfügt.

Kassationshof weist Rekurse gegen Palästina-Entscheide der deutschsprachigen Kammer des Appellationshofes Lüttich ab

In mehreren Entscheiden hatte die deutschsprachige Kammer des Appellationshofes Lüttich entschieden, dass die palästinensischen Gebiete in Belgien nicht als Staat anzusehen sind. Demnach gebe es auch keine „palästinensische Nationalität“, sodass Palästinenser als Staatenlose anerkannt werden könnten.

Die Generalstaatsanwaltschaft, welche – wie die meisten anderen Gerichte in Belgien – der Ansicht ist, dass Palästina ein Staat ist und Palästinenser demnach keine Staatenlosen sind, hatte vor dem Kassationshof gegen diese Entscheide geklagt.

Der Kassationshof hat die Rekurse nun aus rein formellen Gründen abgewiesen, ohne sich inhaltlich zu der Frage zu äußern, ob Palästina in Belgien als Staat anzusehen ist oder nicht (Entscheid C.20.0292.F vom 19. November 2021).

Neue Aufenthaltsregeln für ausländische Studenten

Am 15. August 2021 sind neue Regeln in Bezug auf den Aufenthalt von ausländischen Studenten in Belgien in Kraft getreten.

In der Gesetzgebung ist nun vorgesehen, was man unter Begriffen wie „Vollzeitstudium“, „Hochschulstudium“, … versteht. Die für einen Aufenthaltsantrag erforderlichen Dokumente wurden aufgelistet und es wurde präzisiert, wer einem ausländischen Studenten eine Studentenbörse oder ein Studentendarlehen erteilen kann, nämlich internationale Organisation oder nationale Behörden, eine Gemeinschaft, eine Region, eine Provinz oder eine Gemeinde oder eine Hochschuleinrichtung. Der Garantiegeber muss seinerseits Belgier sein oder über einen unbefristeten Aufenthalt verfügen.

Es wurde eine Zulässigkeitsprozedur eingeführt: Wenn der Antrag vollständig ist, erhält der ausländische Student eine Empfangsbestätigung und sein Antrag wird dem Ausländeramt übermittelt. Innerhalb von 90 Tagen ab dem Tag der Empfangsbestätigung muss das Ausländeramt seine Entscheidung treffen. Mangels Entscheidung innerhalb dieser Frist gilt der Antrag als angenommen, es sei denn es liegt ein Verweigerungsgrund vor.

In diesem Zusammenhang wurden neue Möglichkeiten vorgesehen, um den Aufenthalt zu verweigern oder zu entziehen. Dies ist nun auch aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit oder im Falle von betrügerischen Handlungen möglich sowie wenn die Bildungseinrichtung sich nicht an die Sozial-, Steuer- oder Beschäftigungsgesetzgebung hält. In solchen Fällen muss das Ausländeramt jedoch den besonderen Umständen des Einzelfalls Rechnung tragen und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz einhalten.

Ein Ausländer, der im EU-Ausland über einen Studentenaufenthalt verfügt, kann einen Aufenthalt von Maximum 360 Tagen beantragen, um in Belgien sein Studium zu beenden.

Nach erfolgreichem Abschluss seines Studiums kann der ausländische Student einen Aufenthalt von maximal einem Jahr beantragen. Der Antrag muss innerhalb von drei Monaten ab Erhalt des Diploms und spätestens 15 Tage vor Ablauf des Aufenthaltstitels eingereicht werden.

Europäischer Gerichtshof zu Rechtsbehelfen gegen Überstellungsentscheidungen im Rahmen eines Dublin-Verfahrens

Die sog. „Dublin-III-Verordnung“ legt fest, welcher europäische Staat für die Bearbeitung eines Asylantrages zuständig ist.

Der europäische Staat, in welchem der Asylbewerber sich befindet, kann entscheiden, den Asylbewerber dem zuständigen EU-Mitgliedstaat zu überstellen.

Der betroffene Asylbewerber hat die Möglichkeit eine solche Überstellungsentscheidung vor Gericht anzufechten.

In Belgien kann eine Überstellungsentscheidung im Rahmen einer Nichtigkeitsklage vor dem Rat für Ausländerstreitsachen (RAS) angefochten werden. Der RAS prüft lediglich die Legalität des Überstellungsbeschlusses.

In einem Entscheid C-194/19 vom 15. April 2021 (H.A. g. Belgischer Staat) hat der Europäische Gerichtshof klargestellt, dass das Gericht im Rahmen einer solchen Prüfung die Möglichkeit haben muss, Umstände, welche nach der Überstellungsentscheidung eingetreten sind, zu berücksichtigen, wenn diese entscheidend sind, um zu bestimmen, ob die Dublin-III-Verordnung korrekt angewandt wurde, es sei denn der betroffene Asylbewerber hätte die Möglichkeit aufgrund dieser neuen Elemente einen weiteren Einspruch einzureichen.

Der Rat für Ausländerstreitsachen wird seine bisherige Praxis, bei der Legalitätsprüfung einer Überstellungsentscheidung keinen neuen Elemente zu berücksichtigen, demnach anpassen müssen.

Verfassungsgerichtshof zum Anrecht von Personen, die Belgier werden wollen, auf eine Prozesskostenvergütung

Im Rahmen einer Staatsbürgerschaftserklärung hat die Staatsanwaltschaft die Möglichkeit ein negatives Gutachten abzugeben, wenn sie der Ansicht ist, dass die Person, welche Antrag eingereicht hat, um Belgier zu werden, nicht die erforderlichen Bedingungen erfüllt.

Der Antragsteller hat die Möglichkeit dieses negative Gutachten vor dem Familiengericht in Frage zu stellen.

Vor dem Verfassungsgerichtshof wurde die Frage aufgeworfen, ob die Auslegung, wonach der Antragsteller, wenn das negative Gutachten durch das Gericht aufgehoben wird, kein Anrecht auf eine Prozesskostenvergütung zu Lasten der Staatsanwaltschaft hat, verfassungskonform ist.

In einem Entscheid Nr. 72/2021 vom 20. Mai 2021 hat der Verfassungsgerichtshof klargestellt, dass die Staatsanwaltschaft im Rahmen einer solchen Prozedur als Gegenpartei gilt und demnach, wenn sie unterliegt, zu einer Prozesskosten verurteilt werden kann.

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