Kann die Geldstrafe, die durch einen sanktionierenden Beamten ausgesprochen wird einer Legalitätsprüfung standhalten, wenn der Feststellungsbericht, der zur Auferlegung der Geldstrafe gedient hat, durch den Feststellungsbeamten nicht unterschrieben wurde?

Die Stadt Antwerpen hat eine Umweltzone eingerichtet, in der verschiedene Emissionswerte nicht überschritten werden dürfen. Geschieht dies trotzdem, kann ein Feststellungsbeamter diese Übertretung festhalten und dem Zuwiderhandelnden kann danach, durch den sanktionierenden Beamten, eine Geldstrafe auferlegt werden.

Das Polizeigericht von Antwerpen hat die Entscheidung des sanktionierenden Beamten, der eine Geldstrafe auferlegt hat, obwohl der Feststellungsbericht nicht unterzeichnet war, annulliert, aufgrund der Tatsache, dass man davon ausgehen muss, dass, in Ermangelung einer Unterzeichnung des Berichts, keine gültigen Feststellungen gemacht wurden.

Der Kassationshof hat dieses Urteil kassiert. Für unseren Obersten Gerichtshof kann die alleinige Tatsache, dass der Feststellungsbericht nicht unterzeichnet ist, nicht dazu führen, dass die Geldstrafe, die auf Basis des Berichts erlassen wird, illegal ist. Der Richter muss prüfen, ob die Feststellungen des Feststellungsbeamten, seiner Meinung nach, der Wahrheit entsprechen und, wenn er davon überzeugt ist, dass dies der Fall ist, kann er die Geldstrafe nicht annullieren, aufgrund der alleinige Tatsache, dass der Feststellungsbericht nicht unterzeichnet war. (Kass., 26/03/2021, C.18.0487.N).

Die Gemeinden dürfen die Verbrennung von Hausmüll nicht sanktionieren, in den Fällen, in denen diese Verbrennung durch das Wald- und Forstgesetzbuch erlaubt sind.

Artikel D.167, §1, des ersten Buches des Umweltgesetzbuches sieht vor, dass die Gemeinderäte ermächtigt sind, durch eine Gemeindeverordnung, gewisse Taten zu bestrafen, unter anderem das Verbrennen von Haushaltsmüll an der freien Luft oder in Installationen, die nicht dem Dekret vom 27. Juni 1996 bezüglich des Mülls entsprechen, mit Ausnahme jedoch der Hypothesen, in denen das Forst- und Landgesetzbuch die Verbrennung von natürlichen Trockenabfällen, welche aus den Wäldern, Feldern und Gärten stammen, erlaubt. 

Das Gericht, welches die Entscheidung eines sanktionierenden Beamten bestätigt, der jemanden aufgrund einer Verletzung einer Gemeindeverordnung verurteilt, weil er Abfälle verbrannt hat, ohne zu prüfen, ob diese Abfälle nicht legal in Anwendung des Forts- und Landgesetzbuches verbrannt wurden ist somit illegal (Kass., 07/10/2020, P. 20.0249.F).

Verfassungsgerichtshof zum Erfordernis einer Umweltprüfung bei der Aufhebung gewisser „kommunaler Raumordnungspläne“

Ein kommunaler Raumordnungsplan ermöglichte es Gemeinden, die Raumordnung auf ihrem Gebiet detailliert zu organisieren.

Ein solcher Plan erlaubte es den Gemeinden, auf kommunaler Ebene den Sektorenplan durch Vervollständigung oder gar Revidierung zu präzisieren.

Seit der Reform der Raumordnungs- und Städtebaugesetzgebung im Jahr 2017 (Einführung des Gesetzbuches für räumliche Entwicklung) spricht man bei kommunalen Raumordnungsplänen, welche den Sektorenplan revidiert haben, von sog. „lokalen Orientierungsschemen“.

Art. D.II.66 § 4 des Gesetzbuches über die räumliche Entwicklung sah in diesem Zusammenhang vor, dass vor dem 22. April 1962 gebilligte Raumordnungspläne, die seit diesem Datum unverändert geblieben waren, und deren Beibehaltung nicht innerhalb eines Jahres ab der Einführung des Gesetzbuches durch den Gemeinderat beschlossen wurde, automatisch aufgehoben wurden. Eine vorherige Umweltprüfung war nicht vorgesehen.

In einem Entscheid Nr. 75/2021 vom 21. Mai 2021 hat der Verfassungsgerichtshof klargestellt, dass der Gesetzgeber eine solche Aufhebung nicht grundsätzlich vom Erfordernis einer Umweltprüfung befreien durfte. Es hätte im Einzelfall geprüft werden müssen, ob eine Umweltprüfung erforderlich war. So sieht die europaïsche Gesetzgebung vor, dass keine Umweltprüfung für Pläne bezüglich „kleiner Gebiete auf lokaler Ebene“ oder bei „geringfügigen Änderungen“ von Plänen erforderlich ist, wenn diese keine erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben können. Laut Verfassungsgerichtshof durfte der Gesetzgeber nicht davon ausgehen, dass jede Aufhebung eines kommunalen Raumordnungsplans, der vor dem 22. April 1962 gebilligt wurde und seitdem nicht mehr verändert wurde, in eine dieser Kategorien fällt.

Die bestehende Regelung verletzte die Art. 10 und 11 der Verfassung (Gleichheitsgebot und Nichtdiskriminierungsverbot) in Verbindung mit der Richtlinie 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Juni 2001 über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme.

EuGH: Antrag auf Familienzusammenführung eines minderjährigen Kindes darf nicht deswegen abgelehnt werden, weil dieses zwischenzeitlich volljährig geworden ist.

Der Zeitpunkt der Einreichung eines Antrages auf Familienzusammenführung ist ausschlaggebend, um zu bestimmen, ob es sich um den Antrag auf Einreise und Aufenthalt eines minderjährigen Kindes oder einer volljährigen Person handelt.

Wird ein Kind, das bei Antragstellung minderjährig war, im Laufe des Verfahrens volljährig, hat dies keine Auswirkungen auf die weitere Bearbeitung seines Antrages auf Familienzusammenführung: Der Antrag auf Familienzusammenführung muss durch die Behörden (Ausländeramt) weiterhin als Antrag eines minderjährigen Kindes angesehen und nach den entsprechenden Regeln bearbeitet werden.

Nur so könne sichergestellt werden, dass der Erfolg eines Antrages auf Familienzusammenführung eines minderjährigen Kindes nicht vom Verhalten der Behörden, bzw. der Verfahrensdauer abhänge.

Dies hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) am 2. Juli 2020 (Rs. C-133/19, C-136/19 und C-137/19) entschieden.

Im Falle einer Ablehnung des Antrages auf Familienzusammenführung eines minderjährigen Kindes bestehe außerdem das Recht, diese Entscheidung vor Gericht (Rat für Ausländerstreitsachen) in Frage zu stellen, selbst wenn die betroffene Person zwischenzeitlich volljährig geworden sei.

Das Gerichtsverfahren müsse zudem fortgeführt werden, wenn der Antragsteller im Laufe des Gerichtsverfahrens volljährig wird.

Sollte es zu einer Nichtigkeitserklärung (Annullierung) der Ablehnungsentscheidung des Ausländeramtes durch das Gericht kommen, müsse der Antrag nämlich weiterhin wie der Antrag eines Minderjährigen bearbeitet werden, auch wenn der Antragsteller zwischenzeitlich volljährig ist. Mit andren Worten: Der ursprünglich beantragte Aufenthalt (als minderjähriges Familienmitglied) könne immer noch gewährt werden.

Das belgische Ausländeramt und der Rat für Ausländerstreitsachen, welche dies bisher anders sahen, werden ihre bisherige Vorgehensweise anpassen müssen.

Die Deutschsprachige Gemeinschaft ist nun für die Raumordnungs- und Städtebaugesetzgebung in den neun deutschsprachigen Gemeinden zuständig.

Am 1. Januar 2020 hat die Deutschsprachigen Gemeinschaft die Zuständigkeit für den Städtebau und die Raumordnung im deutschen Sprachgebiet (Amel, Büllingen, Burg-Reuland, Bütgenbach, Eupen, Kelmis, Lontzen, Raeren, St. Vith) übernommen. 

In einer ersten Phase wird die zuvor durch die Wallonische Region ausgearbeitete Gesetzgebung, sprich das Gesetzbuch über die räumliche Entwicklung, weiterhin anwendbar sein.

Bereits zum aktuellen Zeitpunkt wurden jedoch Anpassungen der bestehenden Gesetzgebung vorgenommen.[1]

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