Der Zeitpunkt der Einreichung eines Antrages auf Familienzusammenführung ist ausschlaggebend, um zu bestimmen, ob es sich um den Antrag auf Einreise und Aufenthalt eines minderjährigen Kindes oder einer volljährigen Person handelt.
Wird ein Kind, das bei Antragstellung minderjährig war, im Laufe des Verfahrens volljährig, hat dies keine Auswirkungen auf die weitere Bearbeitung seines Antrages auf Familienzusammenführung: Der Antrag auf Familienzusammenführung muss durch die Behörden (Ausländeramt) weiterhin als Antrag eines minderjährigen Kindes angesehen und nach den entsprechenden Regeln bearbeitet werden.
Nur so könne sichergestellt werden, dass der Erfolg eines Antrages auf Familienzusammenführung eines minderjährigen Kindes nicht vom Verhalten der Behörden, bzw. der Verfahrensdauer abhänge.
Dies hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) am 2. Juli 2020 (Rs. C-133/19, C-136/19 und C-137/19) entschieden.
Im Falle einer Ablehnung des Antrages auf Familienzusammenführung eines minderjährigen Kindes bestehe außerdem das Recht, diese Entscheidung vor Gericht (Rat für Ausländerstreitsachen) in Frage zu stellen, selbst wenn die betroffene Person zwischenzeitlich volljährig geworden sei.
Das Gerichtsverfahren müsse zudem fortgeführt werden, wenn der Antragsteller im Laufe des Gerichtsverfahrens volljährig wird.
Sollte es zu einer Nichtigkeitserklärung (Annullierung) der Ablehnungsentscheidung des Ausländeramtes durch das Gericht kommen, müsse der Antrag nämlich weiterhin wie der Antrag eines Minderjährigen bearbeitet werden, auch wenn der Antragsteller zwischenzeitlich volljährig ist. Mit andren Worten: Der ursprünglich beantragte Aufenthalt (als minderjähriges Familienmitglied) könne immer noch gewährt werden.
Das belgische Ausländeramt und der Rat für Ausländerstreitsachen, welche dies bisher anders sahen, werden ihre bisherige Vorgehensweise anpassen müssen.