Die Deutschsprachige Gemeinschaft ist nun für die Raumordnungs- und Städtebaugesetzgebung in den neun deutschsprachigen Gemeinden zuständig.

Am 1. Januar 2020 hat die Deutschsprachigen Gemeinschaft die Zuständigkeit für den Städtebau und die Raumordnung im deutschen Sprachgebiet (Amel, Büllingen, Burg-Reuland, Bütgenbach, Eupen, Kelmis, Lontzen, Raeren, St. Vith) übernommen. 

In einer ersten Phase wird die zuvor durch die Wallonische Region ausgearbeitete Gesetzgebung, sprich das Gesetzbuch über die räumliche Entwicklung, weiterhin anwendbar sein.

Bereits zum aktuellen Zeitpunkt wurden jedoch Anpassungen der bestehenden Gesetzgebung vorgenommen.[1]

  • Die Akteure

Die wesentlichste Änderung ist die Abschaffung des „delegierten Beamten“.

Die Aufgaben, welche in der Wallonischen Region von einem delegierten Beamten wahrgenommen wurden (Gutachten zu Städtebauanträgen, in gewissen Fällen Entscheidungen über Städtebauanträge, Aussetzung unrechtmäßiger durch das Gemeindekollegium erteilter Genehmigungen, …), werden nun von Regierung der Deutschsprachigen Gemeinschaft wahrgenommen werden.

Die Regierung der Deutschsprachigen Gemeinschaft nimmt außerdem die Aufgaben wahr, die bisher durch die Regierung der Wallonischen Region wahrgenommen wurden (Entscheidungen über Verwaltungsbeschwerden, …).

In der Regel bleibt weiterhin das Gemeindekollegium für die Ausstellung von Städtebau-genehmigungen zuständig, wobei dieses – je nach Fall – zuvor ein Gutachten der Regierung (statt wie bisher des delegierten Beamten) in Bezug auf die Konformität des Antrages mit der Raumordnungs- und Städtebaugesetzgebung einholen muss oder kann.

Das Gemeindekollegium hat bei Städtebauanträgen gewisse Bearbeitungsfristen einzuhalten, andernfalls wird die Regierung der Deutschsprachigen Gemeinschaft, bzw. deren zuständiger Minister Regierung (statt wie bisher der delegierte Beamte) für die weitere Bearbeitung des Antrages zuständig.

In manchen Fällen ist die Regierung der Deutschsprachigen Gemeinschaft, bzw. deren zuständiger Minister von vornerein für die Ausstellung von Städtebaugenehmigungen zuständig (z.B. Städtebauanträge, die von einer öffentlichen Behörde eingereicht werden).

  • Denkmalschutz wird Teil der Genehmigungsprozedur für den Städtebau.

Während bisher zwei Genehmigungen für Projekte benötigt wurden, die ein Denkmal oder Güter im Schutzbereich eines Denkmales betreffen, gibt es nun ein einheitliches Antragsverfahren.

Bei Projekten, welche ein Denkmal betreffen, wird im Rahmen des Städtebauverfahrens ein „gleichlautendes Gutachten“ der Denkmalschutzbehörde eingeholt. Dies bedeutet, dass die für die Ausstellung der Städtebaugenehmigung zuständige Behörde (Gemeindekollegium oder Regierung der DG) nur dann eine solche Genehmigung aussprechen kann, wenn die Denkmalschutzbehörde zuvor ihr Einverständnis erteilt hat. Bereits vor der Einreichung des Städtebauantrages muss der Bauwillige ein Projekttreffen beim für Denkmalschutz zuständigen Minister beantragen. In diesem Rahmen wird eine Liste der einzureichenden Unterlagen festgelegt.

Bei Projekten, welche ein Gut im Schutzbereich eines Denkmales betreffen, ist ein vorheriges Projekttreffen nicht verpflichtend. Die Denkmalschutzbehörde erteilt lediglich ein „einfaches Gutachten“, d.h. dass die die für die Ausstellung der Städtebaugenehmigung zuständige Behörde nicht an dieses Gutachten gebunden ist, im Falle einer Abweichung jedoch begründen muss, weshalb sie sich nicht nach diesem Gutachten richtet.

Achtung: Auch wenn keine Städtebaugenehmigung (z.B. Projekte geringer Bedeutung) erforderlich ist, kann es sein, dass in Anwendung des Denkmalschutzdekretes eine Denkmalgenehmigung erforderlich ist.

In notariellen Urkunden (Kaufurkunde, …) muss nun angegeben werden, ob Arbeiten an einem geschützten Gut oder im Schutzbereich eines Denkmales genehmigungspflichtig sind.

  • Verwaltungsaufsicht und Beschwerdeverfahren

Wird eine Städtebaugenehmigung durch ein Gemeindekollegium ausgestellt, überprüft die Regierung der Deutschsprachigen Gemeinschaft (statt wie bisher der delegierte Beamte), ob die elementarsten Bestimmungen des Gesetzbuches für räumliche Entwicklung eingehalten wurden (ordnungsgemäßer Ablauf des Verfahren, Vorhandensein einer Begründung, Einhaltung der verbindlichen Bestimmungen und der unverbindlichen Leitlinien, bzw. der Ausnahme- und Abweichungsregelungen, Übereinstimmung mit dem Gesetz über die Autobahnen). Ist dies nicht der Fall, muss die Regierung den Beschluss des Gemeindekollegiums aussetzen, damit das Gemeindekollegium den Beschluss zurückzuziehen und neu über den Antrag entscheiden kann. Kommt das Gemeindekollegium dieser Aufforderung nicht nach, kann die Regierung der Deutschsprachigen Gemeinschaft (statt wie bisher die Regierung der Wallonischen Region) den Beschluss für nichtig erklären.

Neu ist auch, dass die Regierung der DG von Amts wegen eine Genehmigung aussetzen kann, wenn diese von einem Gutachten des Kommunalen Beratungsausschusses für Raumordnung und Mobilität (KBRM) abweicht oder, mangels solchen Ausschusses, nicht die im Rahmen einer öffentlichen Untersuchung von einer Mindestanzahl Bürger vorgebrachten Bemerkungen berücksichtigt (zuvor konnte der delegierte Beamte in solchen Fällen Beschwerde bei der Regierung der Wallonischen Region einreichen). 

Wird eine Städtebaugenehmigung abgelehnt (oder mit Städtebaulasten versehen) oder gilt sie – beispielsweise aufgrund der Überschreitung der Bearbeitungsfristen – als abgelehnt, kann der Antragsteller von nun an bei der Regierung der Deutschsprachigen Gemeinschaft (statt wie bisher bei der Regierung der Wallonischen Region) eine Verwaltungsbeschwerde einreichen, welche zur Gewährung der gewünschten Genehmigung führen könnte.

Besonderheit der neuen Gesetzgebung ist, dass die Regierung ebenfalls das Beschwerdeorgan in Fällen ist, in denen die Regierung bereits die zuständige Behörde in erster Instanz war. Man spricht in diesem Zusammenhang von einer Neuüberprüfung des Städtebauantrages. Während in erster Instanz der zuständige Minister alleine entscheidet, trifft die Regierung gemeinsam die Entscheidung über die Beschwerde.

  • Globalgenehmigungen und integrierte Genehmigungen

Globalgenehmigungen sind Genehmigungen für Projekte, für welche sowohl eine Städtebau- als auch eine Umweltgenehmigung erforderlich sind.

Integrierte Genehmigungen sind Genehmigungen für Projekte, welche sowohl eine Städtebau- oder Globalgenehmigung als auch eine Genehmigung für Handelsniederlassungen benötigen.

Da die Wallonische Region weiterhin für die Umwelt und die Wirtschaft im deutschen Sprachgebiet zuständig ist, die Zuständigkeit für die Raumordnung und den Städtebau jedoch an die Deutschsprachige Gemeinschaft übergegangen wurde, musste ein Zusammenarbeitsabkommen abgeschlossen werden, um die neue Rollenverteilung abzustimmen.

Die bisher bestehende Prozedur (Fristen, …) wird beibehalten, wobei die Deutschsprachige Gemeinschaft nun über den Aspekt Städtebau entscheidet und die Wallonische Region (bzw. der technische Beamte) weiterhin über die anderen Aspekte.

Für Beschwerden wird ein gemischter Ausschuss mit Vertretern der Wallonischen Region und der Deutschsprachigen Gemeinschaft eingesetzt.

Die aktuelle bestehende Prozedur kann nur im Einvernehmen der DG und der Wallonischen Region angepasst werden.

  • Weitere erwähnenswerte Anpassungen

- Bei Projekten, die sich zum Teil auf das französische Sprachgebiet (=Wallonische Region ohne die neun deutschsprachigen Gemeinden) und zum Teil auf das deutschsprachige Sprachgebiet (=Deutschsprachige Gemeinschaft) erstrecken, ist nur eine Genehmigung erforderlich. Um zu bestimmen, wer den entsprechenden Antrag bearbeiten muss, wird geprüft, auf welchem Gebiet (Wallonische Region ohne die deutschsprachigen Gemeinden oder Deutschsprachige Gemeinschaft) der größere Teil der genehmigungspflichtigen Arbeiten und Handlungen angesiedelt werden kann. Die dort anwendbare Gesetzgebung wird dann auf das gesamte Projekt angewandt, wobei die betroffene Gemeinde aus dem anderen Sprachgebiet zur Abgabe einer nicht bindenden Stellungnahme aufgefordert wird.

- Die Bekanntmachung eines Projektes im Hinblick auf eine öffentliche Untersuchung muss nur mehr in einer deutschsprachigen Tageszeitung statt wie bisher in drei Zeitungen veröffentlicht werden.

- Die bisherigen Antragsformulare wurden überarbeitet, um den Aspekt Denkmalschutz zu integrieren.

- Auch bei Arealen und Flurbereinigungen ist nun eine Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich.

- Der bisherige wallonische „Pool Raumordnung“ wurde auf Ebene der Deutschsprachigen Gemeinschaft durch einen Beirat für Raumordnung ersetzt. Dieser gibt beispielsweise ein Gutachten bei der Erstellung von lokalen oder regionalen Schemen ab.

- Die Zusammensetzung der Beratenden Kommission für Beschwerden wurde angepasst. Diese umfasst nun auch eine Fachperson im Bereich Denkmalschutz. Die Mitglieder, welche Architekten oder Stadtplaner sind, müssen nicht mehr den jeweiligen belgischen Berufsverbänden angehören.


[1] Programmdekret 2019; Zusammenarbeitsabkommen vom 14. November 2019 zwischen der Wallonischen Region und der Deutschsprachigen Gemeinschaft über die Ausübung der Zuständigkeiten im Bereich der Raumordnung und gewisser verbundener Bereiche.

 

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