Staatsrat: Erhebung einer Bearbeitungsgebühr für Aufenthaltsanträge zwischen dem 1. März 2015 und 26. Juni 2016 war illegal

Ausländer, welche einen Aufenthaltsantrag einreichen, müssen seit dem 1. März 2015 eine Bearbeitungsgebühr zahlen.

Ein Königlicher Erlass, der bis zum 26. Juni 2016 anwendbar war, legte die Beträge pro Antrag fest. Zwischenzeitlich wurden im Rahmen einer neuen Gesetzgebung neue Beträge festgelegt.

Durch Entscheid Nr. 245.404 vom 11. September 2019 hat der Staatsrat diesen alten Königlichen Erlass für nichtig erklärt, so dass vom 1. März 2015 bis zum 26. Juni 2016 keine Gebühren geschuldet waren und im Prinzip eine Rückerstattung zu erfolgen hat.

Aufgrund der Argumentation des Staatsrates ist jedoch davon auszugehen, dass die neuen Beträge ebenfalls illegal sind und in den nächsten Monaten eine Annullierung erfolgt. Bis dahin müssen die entsprechenden Bearbeitungsgebühren jedoch weiterhin gezahlt werden.

Die Kontrolle der Arbeitsgerichte einer Entscheidung der Dispenskommission für die Zahlung der Sozialbeiträge der Selbstständigen ist auf die Rechtmäßigkeit (Legalität) der Entscheidung der Kommission beschränkt:

Ein Selbstständiger, der bedürftig ist, kann sich an die Dispenskommission wenden, um ein Dispens für die Zahlung der Sozialbeiträge zu erhalten. Eine negative Entscheidung dieser Kommission ist vor dem Arbeitsgericht anfechtbar. Die Frage, die sich stellt, ist, ob das Arbeitsgericht, wenn es der Ansicht ist, dass die Entscheidung der Kommission illegal ist, eine neue Entscheidung treffen kann, oder das Gericht sich darauf beschränken muss die Entscheidung der Kommission zu annullieren, was dann dazu führt, dass die Kommission neu entscheiden muss. Anders ausgedrückt bedeutet dies unter anderem, dass sich die Frage stellt, ob das Arbeitsgericht den Dispens anstelle der Kommission gewähren darf. Am 14. Januar 2019 hat der Kassationshof entschieden, dass die Arbeitsgerichte nur eine Legalitätskontrolle der Entscheidung der Kommission durchführen dürfen, was bedeutet, dass sie sich darauf beschränken müssen, diese zu annullieren. Sie dürfen nicht den Dispens der Zahlung der Sozialbeiträge selbst gewähren (Kass., 14/01/2019, S.18.0032.F).

Eine legale Veröffentlichung einer Gemeindeverordnung verlangt einen korrekten Hinweis auf die Entscheidung der Aufsichtsbehörde.

Eine Gesellschaft wurde von der Gemeinde PERUWELZ veranlagt, weil sie auf dem Gemeindeterritorium eine nicht gebrauchte Immobilie besaß. Die Gemeinde verlangte, aufgrund einer Gemeindeverordnung, die sogenannte Ruinensteuer. Die Steuerverordnungen in einer Gemeinde können nur Rechtskraft erlangen, wenn sie ordnungsgemäß veröffentlicht wurden. In der Wallonischen Region bedeutet dies, dass der Bürgermeister einen Aushang tätigen muss, welcher den Gegenstand der Verordnung präzisiert, deren Datum enthält und auf die Entscheidung der Aufsichtsbehörde hinweist. Die Aufsichtsbehörde war in diesem Fall die Provinz Hennegau. Es scheint auch so zu sein, dass die Provinz die Verordnung tatsächlich gutgeheißen hat. Dem Aushang war jedoch zu entnehmen, dass die Verordnung durch die Wallonische Region gutgeheißen wurde. Der Appellationshof Mons hat die Steuerverordnung der Gemeinde für legal erklärt und darauf hingewiesen, dass ein materieller Irrtum im Aushang nicht dazu führen kann, dass die Steuerverordnung illegal sei, weil sie nicht korrekt veröffentlicht worden ist. Der Kassationshof teilte diese Ansicht nicht und kassierte die Entscheidung des Berufungsgerichts. Der Verweis im Aushang auf die Aufsichtsbehörde muss demnach fehlerfrei sein, sonst ist die Steuerverordnung nicht anwendbar (Kass., 17/01/2019, F.17.0156.F).

Kassationshof erklärt, wann kranke Ausländer Anrecht auf Sozialhilfe haben.

Bereits vor einiger Zeit hatte der Europäische Gerichtshof (Entscheid C-562/13 vom 18. Dezember 2014) geurteilt, dass ein Einspruch gegen eine Entscheidung, die einem schwer kranken Ausländer auferlegt, die Europäische Union zu verlassen, eine aufschiebende Wirkung haben muss, wenn die Ausführung dieser Entscheidung den Ausländer einer ernsthaften Gefahr einer schweren und irreversiblen Verschlechterung seines Gesundheitszustands aussetzen könnte (sog. „Abdida-Rechtsprechung“). Mit anderen Worten muss einem Ausländer, welcher sich in einer solchen Situation befindet, die Möglichkeit gegeben werden, solange in der Europäischen Union zu bleiben, bis über seinen Einspruch entschieden wurde.

Der Kassationshof (Entscheid S.18.0022.F  vom 25. März 2019) ist der Ansicht, dass es nicht erforderlich ist, dass der Einspruch vor dem Rat für Ausländerstreitsachen gegen eine Ablehnungsentscheidung eines Antrages auf medizinische Regularisierung (Art. 9ter des Aufenthaltsgesetzes) auf ersten Blick begründet scheint und dass der Ausländer den Nachweis der Schwere seiner Erkrankung sowie des vorgenannten Risikos erbringt, damit seinem Einspruch eine aufschiebende Wirkung zugesprochen werden kann. Vielmehr reiche es aus, wenn ein vertretbarer Beschwerdegrund gegen die Ablehnungsentscheidung des Antrages auf medizinische Regularisierung vorgebracht werde.

In solchen Fällen hätte der betroffene Ausländer auch Anrecht auf Sozialhilfe.

Kassationshof: Orange Karte eröffnet Anrecht auf garantierte Familienzulagen.

Der Kassationshof (Entscheid S.17.0086.F/10 vom 8. April 2019) kommt zu dem Schluss, dass die Kinder eines Ausländers, dessen Antrag auf medizinische Regularisierung (Art. 9ter des Aufenthaltsgesetzes) für zulässig erklärt wurde und welchem demnach eine sog. „orange Karte“ (Eintragungsbescheinigung – Muster A) ausgestellt wurde, Anrecht auf garantierte Familienzulagen haben.

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