Verfassungsgerichtshof zum Anrecht auf Entschädigung eines Einzelnen, der legale Coronamaßnahmen ertragen musste

Während des Lockdowns wurden Zwangsräumungen aus Wohnungen in den verschiedenen Regionen des Landes – darunter in der Region Brüssel Hauptstadt – vorübergehend verboten.

Eine Eigentümervereinigung hat vor dem Verfassungsgerichtshof gegen das Brüsseler Gesetz geklagt, insofern Eigentümern zeitweise die Möglichkeit genommen wurde, Mieter vor die Türe zu setzen.

Da der Verfassungsgerichtshof keine Verletzung der Verfassung (Zuständigkeitsregeln und Menschenrechte) feststellen konnte, wurde diese Klage durch Entscheid Nr. 97/2022 vom 14. Juli 2022 abgewiesen.

Allerdings hat der Hof klargestellt, dass, wenn entsprechende Maßnahmen ergriffen werden, der Grundsatz der Gleichheit der Bürger vor den öffentlichen Lasten eingehalten werden muss.

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EGMR stellt erstmals eine Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention aufgrund von Coronamaßnahmen fest

In seinem Urteil Communauté genevoise d’action syndicale (CGAS) g. Schweiz vom 15. März 2022 hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) eine Verletzung des Artikels 11 der Europäischen Menschenrechtskonvention (Versammlungsfreiheit) festgestellt.

In dieser Angelegenheit ging es darum, dass eine Arbeitnehmervereinigung sich aufgrund eines allgemeinen Versammlungsverbotes daran gehindert sah, öffentliche Versammlungen zu organisieren. So hätte die Vereinigung gerne u.a. am 1. Mai 2020 eine Kundgebung organisiert. In der Schweiz waren zu diesem Zeitpunkt jedoch aufgrund der Coronapandemie Menschenansammlung unter Androhung von strafrechtlichen Sanktionen verboten.

Der Gerichtshof, ohne die Bedrohung zu verkennen, die das Coronavirus für die Gesellschaft und die Gesundheit darstellt, kommt aufgrund der Bedeutung der Freiheit sich in einer demokratischen Gesellschaft friedlich versammeln zu können, der Themen und Werte, für welche die Vereinigung eintritt, des allgemeinen Charakters und der langen Dauer des Verbots öffentlicher Versammlungen sowie der Art und der Schwere der vorgesehenen strafrechtlichen Sanktionen zu dem Schluss, dass der Eingriff in die Ausübung der Versammlungsfreiheit nicht in einem angemessenen Verhältnis zu verfolgten Zielen stand. Er stellt auch fest, dass die internen Gerichte keine ausreichende Kontrolle der verhängten Maßnahmen vorgenommen haben.

Verfassungsgerichtshof präzisiert die Haftungsbedingungen des Staates im Falle eines Fehlers durch die Gerichtsbarkeiten

Der Belgische Staat kann haftbar gemacht werden für die Fehler, die Gerichte begehen.

Wenn ein Gericht, dessen Entscheidung Gegenstand eines Rekurses sein kann, einen Fehler gemacht hat, dann kann die Haftung des Belgischen Staates erst dann gegeben sein, wenn diese Entscheidung im Rahmen eines Rechtsmittels angegriffen wurde und reformiert zurückgenommen oder annulliert wurde.

Es gibt jedoch verschiedene Gerichte, deren Entscheidungen nicht mit einem Rechtsmittel angegriffen werden können, weil sie in der letzter Instanz gefällt werden.

Diese Entscheidungen können also weder zurückgenommen, reformiert oder annulliert werden.

Der Fassungsgerichtshof hat nun präzisiert, unter welchen Voraussetzungen, die Haftung des Belgischen Staates für die Fehler, die diese Gerichte begehen, gegeben sein kann.

Bezüglich der Fehler aller Gerichte, außer die des Kassationshofes, des Verfassungsgerichtshofes und des Staatsrates, gelten die normalen Haftungsregeln.

Wenn die Haftung des Kassationshofes, des Staatsrates oder des Verfassungsgerichtshofes gesucht wird, muss man jedoch nachweisen, dass es sich um einen charakterisierten, schweren Fehler handelt (VGH 21/01/2021, Nr. 7).

Verfassungsgerichtshof äußert sich zur Verjährung von Forderungen gegen den Staat

Artikel 100 der koordinierten Gesetze über die Staatsbuchführung sieht vor, dass (gewisse) Forderungen gegen den Staat fünf Jahre nach dem 1. Januar des Haushaltsjahres, in welchem sie entstanden sind, verjähren.

Diese Verjährungsregel findet auch Anwendung, wenn eine außervertragliche Haftung des Staates geltend gemacht wird.

Der Verfassungsgerichtshof hat nun klargestellt, dass die Verjährungsfrist in solchen Fällen erst zu laufen beginnen kann, wenn sowohl der Schaden als auch die Identität des Verantwortlichen bekannt sind.

Wallonische Region erkennt die Überschwemmungen vom 14., 15. und 16. Juli als „öffentliche Naturkatastrophe“ an

Die Regierung der Wallonischen Region hat die Überschwemmungen in den 84 Gemeinden der Provinz Lüttich (darunter die neun deutschsprachigen Gemeinden) sowie in weiteren Provinzen und Gemeinden als öffentliche Naturkatastrophe anerkannt.

Der Erlass der Regierung muss noch im Belgischen Staatsblatt veröffentlicht werden.

Ab dem ersten Tag, welcher auf diese Veröffentlichung folgt, haben die betroffenen Bürger drei Monate Zeit, um beim regionalen Katastrophenhilfsdienst einen Antrag auf Entschädigung einzureichen.

Schäden an beweglichen oder unbeweglichen Gütern (Immobilien), die durch eine Überschwemmung entstanden sind, können nur dann entschädigt werden, wenn sie nicht durch einen Versicherungsvertrag (Feuerversicherung) gedeckt werden können.

Die Entschädigung betrifft nur bestimmte Güter:

  • Güter, bei denen es sich nicht um „einfache Risiken“ handelt (Immobilien im Freien wie Gartenhäuser oder bestimmte bewegliche Güter im Freien wie Gartenmöbel, …),
  • Fahrzeuge, die zum gewöhnlichen Transport eines Haushaltes dienen und die mindestens 5 Jahre alt sind, vorausgesetzt sie sind nicht durch eine Kaskoversicherung gedeckt,
  • Böden,
  • Waldbestände,
  • Kulturen,
  • Lebendviehbestände außerhalb von Gebäuden,
  • Ernten.

Personen, deren finanzielle Lage es ihnen nicht erlaubt, ihre Güter zu versichern und die ein Eingliederungseinkommen oder eine vergleichbare Unterstützung beziehen, können jedoch auch eine Entschädigung für den Inhalt oder das Gebäude beantragen.

Der Entschädigungsantrag muss durch den Eigentümer der Güter eingereicht werden.

Derzeit muss noch folgendes Formular ausgefüllt werden: https://interieur.wallonie.be/sites/default/files/2021-05/formulaireEntsch%C3%A4digungsantrag.pdf. Die Regierung hat jedoch angekündigt, in den nächsten Tagen, die Entschädigungsprozedur dem Ausmaß der Überschwemmungen anpassen zu wollen. Es könnte also sein, dass in Kürze ein spezielles Formular herausgegeben wird.

Wenn die Güter versichert sind, muss vorher eine Beteiligung der Versicherungsgesellschaft beantragt werden.

Wenn der Antrag vollständig und zulässig ist, werden die Schäden gemeinsam eingeschätzt. Die Höhe des Schadensersatzes wird aufgrund einer Tabelle mit verschiedenen Tranchen bestimmt. Alle erhaltenen Entschädigungen und Beihilfen werden abgezogen. Die Kosten von Schutzmaßnahmen, die auf Kosten des Geschädigten ergriffen und als nützlich für die Schadensbegrenzung anerkannt wurden, können zu 70 % übernommen werden.

Die Entscheidung des regionalen Katastrophenhilfsfonds kann innerhalb von 60 Tagen beim Fonds selbst beanstandet werden. Sie kann auch gerichtlich angefochten werden.

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