Kassationshof : Überwachsende Äste – ein Beibehaltungsrecht (Servitude oder Gerechtsame) kann nicht ersessen werden.

Das Gericht Erster Instanz von Nivelles entschied, dass der Eigentümer eines Grundstücks, von seinem Nachbarn nicht verlangen dürfe, dass dieser die Äste, die zu ihm herübergewachsen sind, wegschneidet, weil diese Situation schon mehr als 30 Jahre angedauert hat, sodass der Nachbar ein Recht ersessen hat, dass seine Äste über die Grenze zum Nachbarn wachsen dürfen.

Der Kassationshof hat diese Entscheidung annulliert, indem er darauf hinwies, dass Artikel 37, Absatz 4 des Landwirtschaftsgesetzbuches vorsieht, dass das Recht herüberwachsende Äste nicht zurückzuschneiden nicht ersessen werden kann (Kass., 3/01/2020, C.19.0171.F).

Eine Verkaufspreiserhöhung verlangt das Einverständnis des Verkäufers.

Ein Käufer und ein Verkäufer haben sich darüber verständigt, zu welchem Preis die Immobilie des Verkäufers verkauft werden sollte.

Die Frage, die sich in dem Streitfall stellte, der vor dem Kassationshof verhandelt wurde, war, ob der Verkäufer, der den Kaufpreis erhält, automatisch mit der Zahlung eines höheren Kaufpreises einverstanden sein muss, oder diesbezüglich sein Einverständnis geben muss.

Der Kassationshof urteilte, dass der Verkäufer mit dem höheren Kaufpreis einverstanden sein muss und man nicht davon ausgehen kann, dass, wenn ein Verkäufer damit einverstanden war, dass seine Immobilie zu einem niedrigeren Kaufpreis verkauft wurde, er automatisch den höheren Preis akzeptieren muss (04/10/2019, C.18.0414.F).

Das Zwangsgeld ist geschuldet, auch wenn der Verurteilte, was die Ausführung des Urteils angeht, fehlerlos war.

In verschiedenen Rechtsmaterien (siehe Art. 1385 bis und folgende des Gerichtsgesetzbuches) kann der Richter die Ausführung seines Urteils mit einem Zwangsgeld versehen. Dies bedeutet, dass die verurteilte Partei, die Verurteilungen innerhalb einer gewissen Frist, die durch den Richter festgelegt wird, ausführen muss und, wenn sie dies nicht tut, muss sie eine Geldsumme zahlen, entweder pro Tag Verspätung, pro Verstoß, usw.

Vor dem Kassationshof wurde die Frage debattiert, ob der Verurteilte seiner Zahlungsverpflichtung entgehen kann, wenn er belegen kann, dass er keinen Fehler begangen hat, der dazu geführt hat, dass die Verurteilung nicht innerhalb der gewährten Frist ausgeführt wurde.

Der Kassationshof verneinte dies. Der Umstand, dass ein Verurteilter keinen Fehler begangen hat, kann ihn nicht davon entbinden, dass er das Zwangsgeld zahlen muss (Kass. 13/09/2019, C.18.0556.F).

Der Kassationshof definiert den Begriff „Adresse„ in Bezug auf verfahrenseinleitende Dokumente (Vorladung, Antrag, Berufung usw.).

Es ist gesetzlich vorgesehen, dass jedes verfahrenseinleitende Dokument die Adresse des Antragstellers, bzw. des Klägers enthalten muss. Der Appellationshof Lüttich war mit der Frage befasst, ob eine Referenzadresse, wie man sie unter gewissen Voraussetzungen zum Beispiel beim ÖSHZ erhalten kann, ausreichend ist. Das Berufungsgericht war der Ansicht, dass dies nicht der Fall ist und hat die Berufung der Partei, die nur eine Referenzadresse angegeben hat, abgewiesen. Der Kassationshof hat dieses Urteil aufgehoben. Wenn einer Person also offiziell eine Referenzadresse zugeteilt wurde, reicht es wenn diese auf dem verfahrenseinleitenden Dokument vermerkt wird. (Kass., 18. Oktober 2018, C.17.0610.F).

Der Kassationshof fällt ein Grundsatzurteil bezüglich der Prozessfähigkeit von Menschen mit geistiger Behinderung:

Eine Person war in einen Rechtsstreit mit dem belgischen Staat verwickelt. In erster Instanz erhielt diese Person ein Urteil, das ihr teilweise recht gab. Der belgische Staat legte Berufung ein und diese Person legte eine Anschlussberufung ein. Während des erstinstanzlichen Verfahrens hatte diese Person einen schweren Unfall, der anscheinend zur Folge hatte, dass auch ihre geistigen Fähigkeiten beeinträchtigt waren. Der belgische Staat warf auf, dass diese Person, weil aus den Unterlagen hervorging, dass sie geistig behindert war, keine Anschlussberufung hätte einlegen dürfen. Laut dem belgischen Staat hätte ein Betreuer bezeichnet werden müssen, der diesen Schritt für diese Person in die Wege geleitet. Das Berufungsgericht folgte der These des belgischen Staates. Der Kassationshof hat dieses Urteil aufgehoben und entschied, dass, solange keine gesetzlich vorgesehene Betreuungsmaßnahme ausgesprochen wurde, man davon ausgehen muss, dass die handelnde Person voll prozessfähig ist, was bedeutet, dass ihre Prozesshandlungen als legal angesehen werden müssen, auch wenn es Unterlagen gibt, die das Gegenteil vermuten lassen. (Kass., 18. Oktober 2018, C. 17.0297.F).

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