Der Kassationshof stärkt die Rechte der Prozessparteien, die nicht in der EU wohnen

Verschiedene Parteien, die im Kongo wohnten, verloren einen Prozess vor dem erstinstanzlichen Gericht Brüssel.  Der Gewinner hat irgendwann das Urteil zustellen lassen, damit die Berufungsfrist läuft.

Nach belgischem Recht läuft die Berufungsfrist in der Regel ab dem Tag der Zustellung des Urteils (manchmal Notifizierung).

In Anwendung der Artikel 38, 40 und 57 des Gerichtsgesetzbuches gilt die Zustellung als erfolgt, ab dem Zeitpunkt, an dem der Gerichtsvollzieher den Brief, mit dem er die Zustellung vollzieht, im Postbüro abgibt.

Insofern es unter diesen Voraussetzungen sein kann, dass die Berufungsfrist abgelaufen ist, ohne dass der Zustellungsempfänger die Post erhalten hat, ist der Kassationshof der Ansicht, dass die eben genannten Bestimmungen des Gerichtsgesetzbuches gegen Artikel 6, §1 der Menschenrechtskonvention verstoßen (Kass., 28/01/2021, C.20.0007.F).

Ein Mietverhältnis kann aufgelöst werden, aufgrund des unzivilisierten Verhalten des Mieters den anderen Mietparteien gegenüber

Sowohl das alte Zivilgesetzbuch, als auch das wallonische Dekret bezüglich des Wohnmietvertrags sehen vor, dass der Vermieter nicht für faktische Störungen haftet, die durch Drittpersonen, also auch durch andere Mietparteien, verursacht werden.

Das Gericht 1. Instanz Lüttich, Division Verviers hat trotzdem das Mietverhältnis zwischen einem Vermieter und einem Mieter aufgelöst, weil dieser sich nicht korrekt gegenüber den anderen Mietparteien im Haus benahm. Dieser Mieter machte bis tief in die Nacht Krach, war unhöflich zu den anderen Mietern, beteiligte sich nicht an das gute Funktionieren des Zusammenlebens, usw.

Vor dem Kassationshof wurde die Annullierung dieser Entscheidung beantragt, weil, so der Kläger, das Gericht den Vertrag nicht hätte auflösen dürfen, denn, insofern der Vermieter nicht für die faktischen Störungen des Mieters verantwortlich ist, kann das Gericht auch nicht den Vertrag aufgrund einer vertraglichen Haftung dieses Mieters auflösen.

Diese sah das oberste Gericht anders. Der Mieter hat die Verpflichtung das Mietobjekt wie ein guter Familienvater zu nutzen. Diese Verpflichtung impliziert ein korrektes Verhalten gegenüber den anderen Mietparteien (Kass., 7/01/2021, C.20.0273.F).

In den Fällen, in denen eine Schlichtung verpflichtend ist, ist eine Klage unzulässig, solang die Schlichtung nicht effektiv stattgefunden hat

Es gibt Fälle, wie zum Beispiel im Landpachtrecht (Art. 1345 des Gerichtsgesetzbuches) in denen das Gesetz verlangt, dass eine Schlichtung stattfindet, bevor geklagt wird. Der Kassationshof hat schon geurteilt, dass Klagen, die eingeleitet werden, obwohl die verpflichtende Schlichtung nicht durchgeführt wurde, unzulässig sind. Diese Unrechtmäßigkeit ist auch nicht reparabel, indem man, zum Beispiel die Fortführung des Prozesses solange aussetzt bis man eine Schlichtung unternommen hat, die nach Einleitung der Klage angefragt wurde.

Wie ergeht es jedoch einer Klage, die nach dem Antrag auf Schlichtung eingeleitet wurde, jedoch bevor der Schlichtungstermin stattgefunden hat? Das Gericht 1. Instanz Antwerpen war der Meinung, dass eine solche Klage zulässig ist. Diese Meinung teilte der Kassationshof nicht. Wenn eine Klage eingeleitet wird, bevor der Schlichtungstermin stattgefunden hat ist diese Klage unzulässig (Kass., 12/02/2021, C.20.0095.N).

Verjährungsunterbrechung durch ein Anwaltsschreiben : Die gesetzlichen Bedingungen sind strikt einzuhalten.

In der Regel kann der Anspruch einer Partei verjähren, wenn er nicht innerhalb einer Frist, die durch das Gesetz vorgesehen wird, geltend gemacht wird.  Es gibt jedoch gewisse Unterbrechungs- und Aufhebungsgründe der Verjährung.

So kann zum Beispiel ein Schreiben eines Anwalts an die Gegenpartei die Verjährung des Anspruchs, den sein Mandant geltend machen will, unterbrechen.

Artikel 2244 ZGB sieht jedoch eine Reihe von Bedingungen vor, die erfüllt sein müssen, damit die Verjährungsunterbrechung eintreten kann.

Der Kassationshof urteilte nun, dass diese Bedingungen strikt einzuhalten sind.

In einer Angelegenheit, in der ein Rechtsanwalt das Schreiben per Einschreiben geschickt hat, obwohl das Gesetz vorsieht, dass das Schreiben per Einschreiben mit Rückschein versendet werden muss, hat der Kassationshof entschieden, dass dem Dokument keine verjährungsunterbrechende Wirkung zugesprochen werden kann, obwohl es zwischen den Parteien nicht strittig war, dass der Empfänger den normalen Einschreibebrief erhalten hat (Kass., 15/06/2020, S. 19.0055.N).

 

Die Risiken der verkauften Sache folgen der Eigentumsübertragung

Wenn ein Verkäufer einem Käufer einen Gegenstand verkauft, gilt grundsätzlich, dass ab dem Zeitpunkt, an dem die Parteien sich geeinigt haben, das Eigentum an den Käufer übertragen wird, ungeachtet der Tatsache, ob der Gegenstand schon zu Händen des Käufers geliefert wurde.

Daraus resultiert, dass der Käufer auch die Risiken, die mit der verkauften Sache verbunden sind, ab diesem Zeitpunkt erhält.  Wenn die verkaufte Sache zum Beispiel durch ein unvorhersehbares Feuer vernichtet wird, wird dies zu Lasten des Käufers sein.

Vertraglich kann man den Zeitpunkt der Eigentumsübertragung, abweichend von dem eben genannten Prinzip, festlegen.  Wenn dies der Fall ist, dann werden die Risiken auch erst zu diesem Zeitpunkt übertragen, es sei denn der Vertrag regelt diese Frage anders (Kass., 29/05/2020, C.19.0292.F).

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