Der Kassationshof definiert den Verkehrsunfall

Ist eine Person, die in einen Bus einsteigt und die sich dabei verletzt, Opfer eines Verkehrsunfalls und kann somit auf eine Entschädigung in Anwendung des Gesetzes bezüglich der schwachen Verkehrsteilnehmer (Artikel 29 bis des Gesetzes vom 21/11/1989 bezüglich der Kraftfahrzeugspflichtversicherung) pochen?

Der Kassationshof vertritt diese Meinung.

In einer Angelegenheit, in der eine Person sich beim Einsteigen in den Bus verletzt hat, entschied der Kassationshof, dass es sich hierbei um einen Verkehrsunfall handelt, was bedeutet, dass das Polizeigericht zuständig ist und, wenn die anderen Voraussetzungen erfüllt sind, eine Entschädigung in Anwendung des Artikels 29bis, der die schwachen Verkehrsteilnehmer schützt, zu zahlen ist (Kass., 5/06/2020, C.18.0432.F).

Verurteilung wegen Fahrens unter Alkoholeinfluss ist möglich, obwohl die Polizisten den Verurteilten nicht haben fahren sehen

Zwei Polizisten fanden eine offensichtlich angetrunkene Person schlafend hinter dem Steuer eines Autos vor.

Das Strafgericht HENEGAU, Abteilung CHARLEROI, verurteilte diese Person als betrunkener Fahrer am Steuer.

Vor dem Kassationshof warf der Verurteilte auf, dass er mit dem Auto nicht gefahren sei und somit nicht verurteilt werden könne.

Diese Argumentation verwarf der Kassationshof.

Es reicht, so der Kassationshof, dass, aufgrund der festgestellten Elemente, die Richter sicher waren, dass die Person, die sie verurteilen unter Alkoholeinfluss gefahren ist, auch wenn die Polizisten dies nicht gesehen haben.  In diesem Fall war der Schlüssel eingesteckt, der Kontakt vorhanden, die Bremslichter an, was die Richter dazu bewogen hat zu schlussfolgern, dass die entsprechende Person gefahren sein muss. (Kass., 14/10/2020, P.200557.F)

Verfassungsgerichtshof: Sanktionierender Beamter muss die Möglichkeit haben einen Strafaufschub oder eine Aussetzung der Strafverkündung zu gewähren.

Der Gemeinderat kann für gewisse Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung kommunale Verwaltungssanktionen anstelle einer strafrechtlichen Verfolgung vorsehen.

Dies gilt beispielsweise bei Falschparken oder -halten oder dem Befahren einer Fußgängerzone.

In solchen Fällen entscheidet ein sanktionierender Beamter über die Folgen des Verstoßes. Bisher ging man davon aus, dass er in diesem Zusammenhang keinen Strafaufschub, bzw. keine Aussetzung der Strafverkündung gewähren durfte.

Diese Auslegung ist laut Verfassungerichtshof (Entscheid Nr. 56/2020 vom 23. April 2020) jedoch diskrimierend, da im Rahmen einer Strafverfolgung ein Strafgericht die Möglichkeit hätte, einen solchen Aufschub oder eine solche Aussetzung zu gewähren.

Die bestehende Gesetzgebung muss daher so ausgelegt werden, dass sie einem sanktionierenden Beamten (und im Einspruchsverfahren dem Polizeigericht) erlaubt, entsprechende vorteilhafte Strafmodalitäten vorzusehen, auch wenn es sich lediglich um eine Verwaltungsstrafe handelt.

Handy am Steuer: Neues vom Kassationshof

Artikel 8.4 des königlichen Erlasses zur Festlegung der allgemeinen Ordnung über den Straßenverkehr und die Benutzung der öffentlichen Straße sieht folgendes vor:

„Der Führer eines Fahrzeugs darf ein tragbares Telefon nur benutzen und es dabei in der Hand halten, wenn sein Fahrzeug hält oder parkt“.

Aber was bedeutet „ein tragbares Telefon benutzen und es dabei in der Hand halten“?

Der Entscheid vom 14. Januar 2020 des Kassationshofes gibt Antwort auf diese Frage.

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Verkehrsstraftaten mit einem Firmenwagen: Der Firmeninhaber darf sich nicht darauf beschränken aufzuwerfen, er habe das Auskunftsformular nicht erhalten.

Wenn eine Straftat begangen wird, mit einem Auto, das auf eine Gesellschaft zugelassen ist, muss der zuständige Vertreter der Gesellschaft, innerhalb einer Frist von 15 Tagen ab dem Erhalt einer entsprechenden Aufforderung, die Identität des Fahrers mitteilen, bzw. bekanntgeben, wer für das Auto verantwortlich ist. Tut er dies nicht, begeht er eine gesonderte Straftat.

Die Staatsanwaltschaft muss belegen, dass die Anfrage verschickt worden ist. Dieser Beleg wird erbracht, wenn aus einem Protokoll, welches durch einen Beamten erstellt wurde, hervorgeht, dass diese Aufforderung verschickt wurde.

Damit jemand auf eine Anforderung antworten kann, muss er diese Anforderung erhalten haben. Um der Auskunftspflicht zu entgehen, reicht es nicht, dass die Person, an die diese Mitteilung verschickt wurde, sich darauf beschränkt aufzuwerfen, dass die Staatsanwaltschaft nicht belegt, dass sie die Aufforderung erhalten habe. Der Kassationshof urteilte, dass der Beschuldigte konkrete und plausible Elemente darlegen muss, die diese Verteidigung plausibel erscheinen lassen. Das Gericht darf dem Auskunftspflichtigen jedoch nicht den materiellen Beweis auferlegen, dass er die Aufforderung nicht erhalten hat (Kass., 18/09/2019, P. 19.0246. F).

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