Arbeitsrecht - Arbeitsverträge - Entlassung/Kündigung
Wenn ein öffentlicher Arbeitgeber (Ministerium, Gemeinden, …) einen vertraglichen Mitarbeiter entlassen möchte, stellt sich die Frage, ob neben den Regeln des Arbeitsrechts auch Grundsätze beachtet werden müssen, die sich aus dem Verwaltungsrecht ergeben.
Insbesondere umstritten ist, ob ein öffentlicher Arbeitgeber den betroffenen Mitarbeiter vor der Entlassung anhören und ob die Entlassung begründet muss.
Vorherige Anhörung
Der Kassationshof und der Staatsrat hatten zunächst entschieden, dass eine vorherige Anhörung nur bei der Auflösung eines statutarischen Verhältnisses (Beamte), nicht aber bei einem Vertragsmitarbeiter durchgeführt werden müsse.
Für den Verfassungsgerichtshof würde diese Rechtsauffassung jedoch zu einer Diskriminierung zwischen Beamten und vertraglichen Mitarbeitern führen (Entscheid Nr. 86/2017 vom 7. Juli 2017).
So befänden sich Beamte und vertragliche Mitarbeiter, trotz der jeweiligen Besonderheiten der Beschäftigungsverhältnisse, in einer vergleichbaren Situation, wenn dieses aufgelöst wird.
Beamte haben jedoch immer dann die Möglichkeit sich vorab zu einer schwerwiegenden Maßnahme zu äußern, wenn diese aufgrund deren Person oder deren Verhalten getroffen werden soll (Grundsatz der vorherigen Anhörung, Auch audi alteram partem genannt).
Laut Verfassungsgerichthof sei es nicht gerechtfertigt, einem Vertragsmitarbeiter, welcher aus denselben Gründen entlassen würde, nicht vorab die Möglichkeit zu geben, seine Argumente vorzubringen.
Am 22. Februar 2018 (Entscheid Nr. 22/2018) hat der Verfassungsgerichthof außerdem geurteilt, dass bei der Entlassung eines vertraglichen Mitarbeiters des öffentlichen Dienstes aus schwerwiegendem Grund eine vorherige Anhörung möglich und erforderlich ist, um eine Diskriminierung gegenüber Beamten zu vermeiden. Die Dreitagesfrist für die Entlassung läuft in diesem Fall erst ab der Anhörung.
Begründung der Entlassung
Im Privatsektor haben Mitarbeiter seit 2014 aufgrund des kollektiven Arbeitsabkommens Nr. 109 die Möglichkeit in Erfahrung zu bringen, aus welchem Grund sie entlassen wurden.
Auch sind öffentliche Behörden verpflichtet, die Entscheidung, mit welcher ein Beamter entlassen wird, formell zu begründen.
Dennoch haben sowohl der Kassationshof als auch der Staatsrat entschieden, dass die Entlassung eines vertraglichen Mitarbeiters einer öffentlichen Behörde nicht begründet werden müsse.Der Verfassungsgerichtshof hat nun für Recht gesagt, dass diese Auslegung nicht verfassungswidrig sei, insofern der entlassene vertragliche Mitarbeiter die Möglichkeit habe, innerhalb eines Jahres ab Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Gerichtsverfahren vor dem Arbeitsgericht einzuleiten, um von seinem ehemaligen Arbeitgeber den Grund seiner Entlassung zu erfahren (Entscheid 84/2018 vom 5. Juli 2018).
Es ist jedoch fraglich, ob eine Begründung nach der Entlassung dem europäischen Recht entspricht, insofern der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte der Ansicht ist, dass das Recht auf ein faires Verfahren verletzt wird, wenn man nicht den Grund seiner Entlassung erfährt (EGMR, K.M.C. g. Ungarn, 10. Juli 2012).
Unsere Empfehlungen
Aufgrund der Rechtunsicherheit, welche nach wie vor in Bezug auf die Regeln besteht, welche bei der Entlassung eines vertraglichen Mitarbeiters einzuhalten sind, empfehlen wir allen öffentlichen Einrichtungen Vertragsmitarbeiter vor ihrer Entlassung anzuhören - zumindest immer dann, wenn die Entlassung aus Gründen erfolgen soll, die mit der Person oder dem Verhalten des betroffenen Mitarbeiters zusammenhängen, auch bei einer Entlassung aus schwerwiegendem Grund. Eine Begründung der Entlassungsentscheidung scheint hingegen nicht (mehr) erforderlich zu sein.