Missachtung der Berufungsfrist: Gab es eine klare, zuverlässige und offizielle Rechtsmittelbelehrung?

Der Antragsteller beabsichtigte Belgier zu werden. Sein Antrag wurde in erster Instanz abgelehnt. Im Prinzip verfügte er lediglich über eine Frist von 15 Tagen ab der Notifizierung der erstinstanzlichen Entscheidung, um Berufung einzulegen. Er reichte seinen Berufungsantrag jedoch nach Ablauf dieser Frist, innerhalb der gewöhnlichen Berufungsfrist von einem Monat ein.

Das erstinstanzliche Urteil wurde in Anwendung einer Gesetzesbestimmung bezüglich der gewöhnlichen Berufungsfrist notifiziert. Die Notifizierung enthielt weder eine allgemeine Rechtsmittelbelehrung noch einen Verweis auf die kürzere Berufungsfrist in Nationalitätssachen. Der Antragsteller wurde daher – laut eines Entscheid des Appellationshofes Lüttich vom 19. September 2019  – nicht nur im Unklaren über die Fristen und Modalitäten eines Rechtsmittels gegen das erstinstanzliche Urteil belassen, sondern könnte auch irregeführt worden sein.

Unter Verweis auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) kommt der Appellationshof Lüttich daher zu dem Schluss, dass mangels klarer, zuverlässiger und offizieller Rechtsmittelbelehrung, die Verteidigungsrechte des Antragstellers und sein Recht auf Zugang zur Justiz verletzt würden, wenn man seinen Berufungsantrag nicht – trotz Verpassens der eigentlichen Berufungsfrist – inhaltlich prüfen würde. Der Berufungsantrag wurde daher für zulässig erklärt.

Die Besonderheit in diesem Fall war, dass der Berufungsantrag mit Hilfe eines Anwalts eingereicht worden war. Dies hat jedoch keinen Einfluss auf die Entscheidung des Appellationshofes gehabt.

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