Ausweisungen und Einreiseverbote

Wenn ein Ausländer sich illegal in Belgien aufhält, kann er des Landes verwiesen werden.

Außerdem kann ihm die Einreise untersagt werden.

In der jüngsten Ausgabe der Zeitschrift für Ausländerrecht wurden zwei wichtige Entscheidungen in Bezug auf Anweisungen, das Staatsgebiet zu verlassen und Einreiseverbote veröffentlicht [1].

  • Wann muss der Belgische Staat überprüfen, ob eine Ausweisung die Grundrechte des Ausländers verletzen könnte?

Eine Anweisung, das Staatsgebiet zu verlassen (ASV) ist ein Beschluss, mit dem der illegale Aufenthalt eines Auslän­ders festgestellt wird und diesem eine Rückkehrverpflichtung auferlegt wird.

Eine entsprechende Entscheidung kann durch Zwangsmaßnahmen ergänzt werden (Festhaltung in einem geschlossenen Zentrum,  Rückführung an die Grenze, …).

Der Belgische Staat ist verpflichtet, die Grundrechte eines Ausländers beachten.

Zu den Grundrechten gehört auch Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), welcher vorsieht, dass niemand der Folter oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung unterworfen werden darf.

Umstritten war bisher, zu welchem Zeitpunkt der Belgische Staat überprüfen muss, ob eine Ausweisung Art. 3 EMRK verletzten könnte: Ehe er eine ASV verabschiedet oder erst, wenn er diese – ggf. mittels Zwangsmaßnahmen – umsetzen möchte?

Im Rahmen eines Kassationsrekurses vor dem Staatsrat hat Rechtsanwalt Robinet die Ansicht vertreten, dass nicht erst bei der Umsetzung, sondern bereits bei der Verabschiedung einer ASV überprüft werden muss, ob eine Ausweisung die Grundrechte des Ausländers verletzten würde und dass, bejahendenfalls, der Belgische Staat davon absehen muss, eine solche ASV zu erlassen.

Dieser These ist der Staatsrat – zumindest was Art. 3 EMRK angeht – in einem Entscheid Nr. 239.259 vom 28. September 2017 gefolgt[2].

  • Ab wann läuft die Dauer eines Einreiseverbots?

Ein Einreiseverbot ist ein Beschluss, mit welchem einem Ausländer die Einreise nach Belgien und die anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union untersagt wird.

Ein solches Einreiseverbot ist immer zeitlich begrenzt.

Umstritten war bisher, ab welchem Tag die Dauer des Einreiseverbots zu laufen beginnt.

Zwei Thesen standen sich gegenüber:

  • Für die einen (darunter der belgische Rat für Ausländerstreitsachen) beginnt der Zeitraum, während dessen die Einreise untersagt ist, ab dem Tag, an welchem das Einreiseverbot notifiziert wird – unabhängig davon, ob das Territorium der Mitgliedstaaten verlassen wurde oder nicht.
  • Für die anderen muss der Ausländer das Gebiet der Europäischen Union tatsächlich verlassen haben, damit die Dauer des Einreiseverbots zu laufen beginnt.

Nun hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Kontroverse beendet (Entscheid C-225/16 vom 26. Juli 2017) und für Recht gesagt, dass die Dauer eines Einreiseverbots ab dem Tag zu berechnen ist, an dem der Betroffene tatsächlich das Territorium der Mitgliedstaaten verlassen hat.

Der Rat für Ausländerstreitsachen wird daher seine bisherige Rechtsprechung anpassen müssen. 


[1] Revue du droit des étrangers, n° 194, juillet-août-septembre 2017 (Druck: Dezember 2017).

[2] In Bezug auf den Zeitpunkt, an dem die Behörden das Familienleben, das höhere Interesse des Kindes und den Gesundheitszustand des Ausländers berücksichtigen müssen, ist noch eine Vorabentscheidungsfrage vor dem Europäischen Gerichtshof anhängig.

 

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