Neue Aufenthaltsmöglichkeit für Staatenlose?

Ein Staatenloser ist eine Person, die kein Staat aufgrund seiner Rechtsordnung als seinen Staatsangehörigen ansieht.

Um als Staatenloser anerkannt zu werden, ist eine Prozedur vor dem Familiengericht erforderlich.

Es reicht jedoch nicht aus, als Staatenloser anerkannt zu sein, um ein Aufenthaltsrecht in Belgien zu erhalten. Auch sieht die Gesetzgebung keine spezifischen Aufenthaltsprozeduren für Staatenlose vor. 

Staatenlose müssen daher im Prinzip die gewöhnlichen Aufenthaltsprozeduren (Asylanträge, …) durchlaufen.

Bereits im Jahre 2012 hat der Verfassungsgerichtshof (Entscheid 01/2012) jedoch geurteilt, dass es diskriminierend sei, wenn unfreiwilligen Staatenlosen, die nachweisen, dass sie keinen legalen und dauerhaften Aufenthaltstitel in einem anderen Land erhalten können, zu dem sie einen Bezug haben, nicht dieselben Aufenthaltsmöglichkeiten zustehen, wie Flüchtlingen.

Trotz dieses Entscheids bleibt die belgische Gesetzgebung unverändert. Verschiedene Staatenlose haben sich daher an die ordentlichen Gerichte gewandt, um die Verurteilung des Belgischen Staates zur Ausstellung eines Aufenthaltstitels zu erreichen.

Die Gerichte haben sich zunächst zurückhaltend bezüglich dieser Anträge geäußert.

Am 27. Mai 2016 hat sich der Kassationshof (Entscheid C.13.0042.F) in die Debatte eingeschaltet. Er hat daran erinnert, dass Richter verpflichtet sind, Gesetzeslücken, welche der Verfassungsgerichthof als diskriminierend gewertet hat, mittels ihrer Urteile zu schließen.

Der Kassationshof kam daher zu dem Schluss, dass ein Gericht die Verfassung verletze, wenn es einem Staatenlosen ein Aufenthaltsrecht verweigere, ohne zuvor zu prüfen, ob dieser unfreiwillig seine Nationalität verloren habe und in einem anderen Land, zu dem er einen Bezug habe, einen dauerhaften und legalen Aufenthaltstitel erhalten könne.

Zwar wirft diese Rechtsprechung Fragen in Bezug auf die Gewaltentrennung zwischen Verwaltung und Gerichten auf, doch könnten sich anerkannte Staatenlose, welche die beiden zusätzlichen Bedingungen erfüllen, auf diese höchstgerichtlichen Entscheidungen berufen, um ein Aufenthaltsrecht einzuklagen.

Dass solche Verfahren von Erfolg gekrönt sein können, zeigt ein Urteil des Gerichts Erster Instanz Eupen vom 26. Juni 2017:

Es ist unstrittig, dass entsprechend dem Entscheid des Kassationshofes vom 27. Mai 2016 einem Staatenlosen ein Aufenthaltsrecht zuerkannt werden muss, wenn er seine Staatsbürgerschaft unfreiwillig verloren  hat und wenn er beweist, dass er keinen legalen und dauerhaften Aufenthalt in einem Land mit dem er Bindungen hat, erhalten kann“.

Da diese beiden Bedingungen in dem Fall, über den das Gericht zu entscheiden hatte, erfüllt waren, wurde der Belgische Staat verurteilt, dem klagenden Staatenlosen ein fünfjähriges Aufenthaltsrecht zu gewähren.

 

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