Appellationshof Lüttich: Palästinensische Identitätsdokumente sind kein Beweis für eine „palästinensische Nationalität“

Dem aufmerksamen Leser unserer News wird nicht entgangen sein, dass die Fragen, ob Palästina ein Staat ist und ob es eine palästinensische Staatsangehörigkeit gibt, zur Zeit unterschiedlich durch die belgischen Gerichte beantwortet werden.

Zuletzt argumentierte die Staatsanwaltschaft, dass die Ausstellung von Identitätsdokumenten durch die Palästinensische Autonomiebehörde den Beweis dafür darstellen würde, dass deren Inhaber eine „palästinensische Nationalität“ besitzen würden.

Der Appellationshof Lüttich hat dieses Argument in mehreren Entscheiden vom 30. Juni 2022 verworfen und entschieden:

Das Ausstellen von Identitätsdokumenten bzw. eines Passes durch die palästinensischen Behörden kann jedoch nicht als Beleg für eine palästinensische Staatsbürgerschaft gewertet werden.“

Um zu diesem Schluss zu kommen, beruft sich der Appellationshof Lüttich auf einen Fachartikel des renommierten palästinensischen Verfassungsrechtlers A. KHALIL zu dieser Problematik („Palestinian nationality and citizenship. Current challenges and future perspectives“, http://ssrn.com/abstract=1559205).

Der Appellationshof Lüttich stellt anschließend fest:

In den meisten westlichen Ländern gelten Palästinenser aus dem Westjordanland und dem Gazastreifen als staatenlos.“

Beispielhaft verweist er auf die Grundsatzentscheidung des deutschen Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Februar 1993 (1 C 45.90), in welcher dieses aus dem systematischen Zusammenhang und der Entstehungsgeschichte des Staatenlosen-Übereinkommens ableitet, dass Palästinenser Staatenlose sind, soweit sie nicht eine andere Nationalität erworben haben:

  • Das Staatenlosen-Übereinkommen beinhalte eine Sonderregelung für Personen, die gegenwärtig den Schutz oder Beistand eines Organes oder eine Organisation der Vereinten Nationen genießen (Art. 1 Abs. 2 Buchst. i des Staatenlosen-Übereinkommens). Auf solche Personen finde das Staatenlosen-Übereinkommen keine Anwendung. In erster Linie handle es sich dabei um die durch das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) betreuten palästinensischen Flüchtlinge. Eine entsprechende Sonderregelung setze jedoch voraus, dass diese Personen Staatenlose im Sinne von Art. 1 Abs. 1 des Staatenlosen-Übereinkommens sind.
  • Auch der Sonderregelung aus Art. 1.D des Übereinkommens, welche vornehmlich die durch die UNRWA geschützten palästinensischen Flüchtlinge betrifft, hätte es nicht bedurft, wenn Palästinenser keine Staatenlosen wären.

 

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