Im Jahre 2017 hat der Gesetzgeber Maßnahmen ergriffen, um gegen missbräuchliche Anerkennungen eines Abstammungsverhältnisses (in der Regel: missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen) vorzugehen.
Von einer missbräuchlichen Anerkennung eines Abstammungsverhältnisses spricht man, wenn offensichtlich ist, dass die Anerkennung der Vaterschaft oder Mutterschaft nur auf einen aufenthaltsrechtlichen Vorteil abzielt. Ähnlich wie bei der Bekämpfung von Scheinehen und vorgetäuschten gesetzlichen Zusammenwohnen möchte man vermeiden, dass allein deswegen Verwandtschaftsverhältnisse geschaffen werden, um einen Aufenthalt in Belgien erhalten zu können.
Geht der Standesbeamte von einer missbräuchlichen Anerkennung eines Abstammungsverhältnisses aus, so kann er die Beurkundung dieser Anerkennung verweigern. In einem solchen Fall muss er nicht prüfen, ob seine Entscheidung im Interesse des betroffenen Kindes ist.
Die Gesetzgebung sah keine spezifische Einspruchsmöglichkeit gegen eine solche Entscheidung des Standesbeamten vor.
Verschiedene Vereinigungen haben vor dem Verfassungsgerichtshof gegen diese Gesetzgebung geklagt.
Sie haben einerseits bemängelt, dass der Standesbeamte, wenn er im Rahmen der Beurkundung der Anerkennung eines Abstammungsverhältnisses prüft, ob ein Betrug vorliegt, nicht die Verpflichtung hat, das Kindeswohl vorrangig zu berücksichtigen, obschon sowohl die belgische Verfassung als auch verschiedene internationale Menschenrechtsabkommen vorsehen, dass bei allen Entscheidungen, die ein Kind betreffen, dessen Interessen vorrangig zu berücksichtigen sind. Es wurde ebenfalls eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens geltend gemacht.
Andererseits haben sie angeführt, dass das Recht auf Zugang zur Justiz, mangels spezifischer Einspruchsmöglichkeit, verletzt werde.
In einem Entscheid Nr. 58/2020 vom 7. Mai 2020 hat der Verfassungsgerichtshof entschieden, dass es nicht problematisch sei, dass der Standesbeamte das Kindeswohl nicht berücksichtigen darf, vorausgesetzt es gebe die Möglichkeit gegen seine Entscheidung einen Einspruch einzureichen, im Rahmen dessen der Richter die Angelegenheit einer vollständigen faktischen und rechtlichen Prüfung unterziehen und dabei auch das Interesse des Kindes (vorrangig) berücksichtigen könne.
Der Gesetzgeber wurde aufgefordert, eine entsprechende Einspruchsmöglichkeit zu schaffen.
Der Verfassungsgerichtshof hat außerdem klargestellt, dass die betroffenen Personen, solange der Gesetzgeber keine spezifische Einspruchsmöglichkeit geschaffen hat, den Präsidenten des Familiengerichts befassen können (so wie es im Falle von Scheinehen oder vorgetäuschtem gesetzlichen Zusammenwohnen ebenfalls der Fall ist).
Wenn Sie mit einer entsprechenden Entscheidung des Standesbeamten konfrontiert werden, können Sie gerne die auf Familienrecht und Ausländerrecht spezialisierten Anwälte unserer Kanzlei kontaktieren.