Reform des Asylrechts

Vor wenigen Tagen wurde eine umfangreiche Reform des belgischen Asylrechts im Staatsblatt veröffentlicht. Sie tritt am 22. März 2018 in Kraft [1]. Vor allem die Prozeduren, um internationalen Schutz (Asyl oder subsidiäres Schutzstatut) in Belgien zu erhalten wurden angepasst. Die wichtigsten Neuerungen werden nachstehend zusammengefasst:

  • Fristen zur Vorlage, Registrierung und Einreichung eines Asylantrags

Es werden nun drei Etappen unterschieden, um in Belgien Asyl[2] zu beantragen: die Vorlage, die Registrierung und die Einreichung des Asylantrags.

Der Asylantrag muss innerhalb von acht Tagen ab der Ankunft in Belgien, bzw. ab dem Ende oder dem Entzug eines anderen Aufenthaltsrechts dem Ausländeramt oder den Grenzbehörden vorgelegt werden. Unter Vorlage eines Asylantrags versteht man die Willensbekundung einen Asylantrag einzureichen. Ab diesem Zeitpunkt gilt der Ausländer als Asylsuchender.

Die Vorlage des Asylantrags muss innerhalb von drei, maximal zehn Tagen durch das Ausländeramt registriert und dem Ausländer schriftlich bestätigt werden.

Kann der Antrag aufgrund großen Antrags nicht auch unmittelbar eingereicht werden, muss der Antragsteller innerhalb von 30 Tagen erneut beim Ausländeramt vorstellig werden.  Bei der Einreichung des Asylantrags muss der Ausländer ein erstes Mal erklären, weshalb er Asyl beantragt. Auch hiernach erhält er eine schriftliche Bestätigung (sog. „Anlage 26“ o.ä.).

Anschließend wird die Akte dem Generalkommissariat für Flüchtlinge und Staatenlose (GKFS) übermittelt, welches für die weitere Bearbeitung des Antrags zuständig ist.

Der Asylantrag muss durch den Asylsuchenden selbst vorgelegt und eingereicht werden. Er kann also nicht durch einen Anwalt, einen Sozialarbeiter oder ein Familienmitglied eingereicht werden.

  • Nicht mehrere Asylanträge gleichzeitig

Es ist nicht mehr möglich, einen neuen Asylantrag einzureichen, wenn der alte noch nicht endgültig abgeschlossen wurde (also auch solange ein Einspruch vor dem Rat für Ausländerstreitsachen gegen eine negative Entscheidung noch möglich ist, bzw. noch läuft). Der Asylantragsteller kann jedoch auf die Einreichung eines Gerichtsverfahrens verzichten und unmittelbar nach Ablauf der Einspruchsfrist einen neuen Asylantrag einreichen.

Damit ein neuer Asylantrag effektiv bearbeitet wird, müssen neue Elemente vorliegen, die die Wahrscheinlichkeit, dass internationaler Schutz gewährt werden kann, deutlich erhöhen.

  • Mitwirkungspflicht des Asylsuchenden

Der Asylsuchende ist verpflichtet, so schnell wie möglich, alle Elemente offen zu legen, die seinen Asylantrag rechtfertigen (Identitäts- und Reisedokumente, Nationalitätsbescheinigungen, Belege zum Reiseverlauf und vorherigen Asylanträgen, …).

Die Originale der Identitäts- und Reisedokumente werden fortan bis zum Ende des Verfahrens in der Verfahrensakte aufbewahrt. Somit soll im Falle einer Ablehnung des Asylantrags, die Abschiebung vereinfacht werden. Der Asylantragsteller hat die Möglichkeit eine Kopie der hinterlegten Unterlagen zu erhalten. In besonderen Fällen kann auch eine frühzeitige Rückerstattung der Originale beantragt werden (z.B. um heiraten, ein Konto eröffnen oder die Gleichstellung eines Diploms beantragen zu können), es sei denn es handelt sich um eine Fälschung.

Wenn die Unterlagen in einer anderen Sprache als Deutsch, Französisch, Niederländisch oder Englisch verfasst sind, muss der Asylsuchende bei der Übersetzung mitwirken: entweder durch eine Übersetzung oder anhand eines Kommentars zum Inhalt dieser Dokumente, welcher durch den Dolmetscher des GKFS überprüft werden kann.

  • Überprüfung der sozialen Medien und anderen elektronischen Daten

Das GKFS hat die Möglichkeit Informationen zu verwenden, die der Asylsuchende elektronisch verschickt oder erhalten hat. Es kann sich sowohl um Informationen handeln, die sich in den sozialen Medien befinden (Facebook, Twitter, …) als auch beispielsweise in Onlinediskussionsforen. Laut parlamentarischen Vorarbeiten ist keine erneute Anhörung des Asylsuchenden erforderlich, wenn es sich um Informationen handelt, die bereits vor der Anhörung bekannt waren und über die der Asylsuchende nicht gesprochen hat. Betroffen sind nur die öffentlich zugänglichen Informationen. Der Asylsuchende kann sein Facebookprofil demnach sichern. Das GKFS darf nicht über ein falsches Profil auf diese Informationen zugreifen.

  • Medizinische Untersuchung

Das GKFS kann dem Asylantragsteller vorschlagen sich einer medizinischen Untersuchung zu unterziehen, um Zeichen einer Verfolgung oder einer schwerer Beeinträchtigung feststellen zu lassen.

Der Asylantragsteller kann dem GKFS ebenfalls aus eigener Initiative Informationen zu seinem Gesundheitszustand zukommen lassen, beispielsweise zu seinem psychischen Zustand.

  • Schutzmaßnahmen für Personen mit besonderen Verfahrensanforderungen

Im Falle einer besonderen Schutzbedürftigkeit können gewisse Verfahrensanpassungen beantragt werden. Auch kann der Arzt des GKFS entsprechende Vorschläge unterbreiten. Die Mitarbeiter des GKFS, welche die Anhörung vornehmen, müssen ebenfalls aufmerksam bezüglich der besonderen Bedürfnisse eines Asylantragsteller sein (z.B. Anhörung durch eine weibliche Mitarbeiterin im Falle einer Genitalverstümmelung, …).

  •  Minderjährige Asylsuchende

Wenn ein volljähriger Ausländer einen Asylantrag einreicht, geht man davon aus, dass der Antrag auch für die Minderjährigen, die ihn begleiten, gilt, insofern der volljährige Ausländer elterliche Autorität über diese ausübt.

Minderjährige Asylsuchende, welche in Begleitung ihrer Eltern in Belgien ankommen, können getrennt angehört werden und eine getrennte Entscheidung bezüglich ihres Asylantrags erhalten, wenn diese vorteilhafter für sie als für ihre Eltern wäre.

  • Persönliche Anhörung

Das GKFS muss den Asylantragsteller mindestens einmal zu einer persönlichen Anhörung einladen, es sei denn diese ist nicht erforderlich, um den internationalen Schutz zuzuerkennen oder aus unbeeinflussbaren Gründen nicht möglich (z.B. aus Gesundheitsgründen).

Es wird ein Bericht der Anhörung verfasst, welcher die Aussagen des Asylantragstellers wortgetreu wiedergibt. Innerhalb von zwei Tagen kann der Asylsuchende oder sein Anwalt eine Kopie des Anhörungsberichts beantragen. Der Asylsuchende verfügt dann über acht Tage ab der Notifizierung des Berichts, um dem GKFS in der Verfahrenssprache seine Anmerkungen zu formulieren. Werden diese Fristen eingehalten, muss das GKFS auf die formulierten Anmerkungen eingehen.

  • Fristen für die Entscheidung des GKFS, Unterbringung in einem geschlossenen Zentrum und beschleunigte Verfahren

Neu ist auch, dass das Gesetz Fristen vorsieht, innerhalb derer das GKFS eine Entscheidung treffen muss: Die Frist beträgt in der Regel sechs Monate. Sie kann jedoch auf bis zu 21 Monaten verlängert werden.

Gewisse Asylanträge werden im Rahmen einer beschleunigten Prozedur (innerhalb von 15 Tagen) bearbeitet, z.B. bei Personen aus einem sicheren Herkunftsland.

Asylanträge von Ausländern, die sich in einem geschlossen Zentrum oder Gefängnis aufhalten, müssen prioritär bearbeitet werden. Eine Unterbringung eines Asylsuchenden in einem geschlossenen Zentrum darf nur im Ausnahmefalle erfolgen und zwei Monate (einmal um weitere zwei Monate und dann zweimal um jeweils einen weiteren Monat verlängerbar) nicht überschreiten.

  • Einspruchsmöglichkeiten

Spätestens wenn ein Asylantrag abgelehnt wird oder der Ausländer ausgewiesen wird, empfiehlt sich die Kontaktaufnahme mit einem Anwalt. Achtung: Die Einspruchsfristen betragen manchmal nur wenige Tage (5, 10 oder 30 Tage ab Notifizierung der Entscheidung).

Der Anwalt kann dann auch prüfen, ob der Asylsuchende für die Dauer seines Gerichtsverfahrens sein provisorisches Aufenthaltsdokument (sog. "orange Karte") behält.

  • Rücknahme oder Entzug des internationalen Schutz

Wenn neue Elemente auftauchen, die eine Rücknahme oder einen Entzug des internationalen Schutzes rechtfertigen würden, erhält der Ausländer die Möglichkeit einer persönlichen Anhörung.

 


[1] Gesetz vom 21. November 2017 zur Abänderung des Gesetzes vom 15. Dezember 1980 über die Einreise ins Staatsgebiet, den Aufenthalt, die Niederlassung und das Entfernen von Ausländern  und vom 12. Januar 2007 über die Aufnahme von Asylsuchenden und von bestimmten anderen Kategorien von Ausländern 

[2] In der Gesetzgebung ist von „Antragsteller auf internationalen Schutz“ die Rede. Zur besseren Lesbarkeit verwenden wir weiterhin den Begriff „Asylsuchender“. Auch wird im Gesetz die Rede von "Antrag auf internationalen Schutz" statt "Asylantrag" gesprochen. Auch hier verwenden wir weiterhin den geläufigen Begriff.

 

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